Biographie
Machs noch einmal , Jupp!
Jupp Heynckes ist der "Elder Statesman" des deutschen Fußballs. Kein anderer Protagonist der Fußball-Bundesliga kann eine solche Breite an Erfolgen als Spieler wie als Trainer aufweisen. Als Stürmer war er einst treffsicher wie kaum ein anderer, in der ewigen Torschützenliste der Bundesliga liegen lediglich Gerd Müller und Klaus Fischer vor ihm. Zu vier deutschen Meisterschaften und einem nationalen wie internationalen Pokalerfolg mit den Gladbacher Fohlen gesellen sich Meriten als Nationalspieler, die nur wenige Kicker mit dem Bundesadler aufweisen können. Welt- und Europameister war er in den Siebzigern, bevor er bereits am Ende jenes Jahrzehnts seine zweite erfolgreiche Karriere in Angriff nahm. Mit 34 Jahren begab er sich anno 1979 auf die Trainerbank seines Herzensvereins Borussia Mönchengladbach und blieb dort satte acht Spielzeiten.
Heutzutage assoziiert man Heynckes vor allem mit seiner erfolgreichen Trainerlaufbahn. Seine diesbezügliche Titelsammlung startete er während seiner zweiten Trainerstation beim ruhmreichen FC Bayern München. An der Säbener Straße sollte er schließlich insgesamt viermal anheuern, wobei sein drittes Engagement im Jahre 2013 mit dem bisher in Deutschland einzigartigen Triple aus Meisterschaft, Pokalsieg und Champions League gekrönt wurde. Die bisher 55-jährige Geschichte der Fußball-Bundesliga hat Heynckes bis auf ganz wenige Ausnahmen komplett mitbegleitet, geprägt und gestaltet. Auch in seinen Jahren im spanischen Exil hat "Don Jupp" Beachtliches erreicht: Mit den "Königlichen" von Real Madrid gewann er 1998 die Champions League. Da verwundert es nicht, dass eine solch verdiente Persönlichkeit nach dem Eintritt in den endgültigen Ruhestand zum Ende der letzten Saison mit einer ausführlichen Laudatio geehrt wird.
Für diese Lobrede zeichnet Detlef Vetten verantwortlich. Der Titel seines im Göttinger Werkstatt Verlags erschienenen Buches "Jupp Heynckes & die Bayern" lässt erahnen, dass der Autor sich dabei vor allem auf Heynckes´ Jahre als Trainer der Münchener fokussiert hat. Der Autor war jahrelang als Sportchef verschiedener Magazine und Zeitungen unterwegs, bevor er sich in den letzten Jahren einen Namen als Verfasser von Büchern zu allen großen Fußball- und Olympia-Events gemacht hat. Mit Jupp Heynckes hat er sich nun einem ganz Großen des deutschen Fußballs gewidmet und an eine Biografie gewagt, die vor großen Siegen, dramatischen Niederlagen und ganz vielen Anekdoten nur so strotzt. Auf den vorliegenden 272 Seiten musste er dabei an der einen oder anderen Stelle Kürzungen oder gar Auslassungen vornehmen, um das Buch in einem gewissen Rahmen halten zu können.
Aufhänger dieser Biografie ist Heynckes´ allerletzte Rettungsmission als Trainer. Im September 2017 regiert beim FC Bayern das blanke Chaos. Carlo Ancelotti, dem in der Vorsaison schon "nur" der Gewinn der Meisterschaft gelungen war, ist für bayrische Verhältnisse katastrophal in die neue Saison gestartet. Negativer Höhepunkt ist eine spielerische Bankrotterklärung während eines Champions-League-Spiels bei den neureichen Parisern. Ancelotti scheint es sich überdies mit ganz vielen Leistungsträgern der Mannschaft verscherzt zu haben, so dass Hoeneß und Rummenigge die Reißleine ziehen müssen. Der Mann, der hier dem FC Bayern aus der Patsche helfen kann, ist rasch identifiziert. Ein Anruf auf dem Heynckes´schen Bauernhof genügt, um Jupp Heynckes ein letztes Mal zu reaktivieren. Was folgt, ist eine spielerische und menschliche Erfolgsgeschichte sondergleichen, die am Ende nur leider die ultimative Krönung in Form eines weiteren Triples vermissen lässt.
Ausgehend von den Ereignissen in der Saison 2017/18 begibt sich der Autor in Rückblicken auf die Reise zu einer faszinierenden Persönlichkeit. Vetten hat mit vielen Gefährten der über ein halbes Jahrhundert währenden Erfolgsstory von Jupp Heynckes gesprochen und ist somit in der Lage, ein differenziertes Bild des Mannes zu zeichnen, der einst als "Osram" karikiert und in Frankfurt heute noch verflucht wird. Doch es überwiegt ganz klar die positive Beschreibung eines Mannes, der immer wieder höchste Bereitschaft an den Tag gelegt hat, sich weiterzuentwickeln und sich neu zu erfinden, sich dabei aber selbst nie über den Verein oder andere gestellt hat. Vetten schreibt genauso kurzweilig, wie Heynckes selbst den Fußball zelebriert hat und seine Teams hat spielen lassen. Man legt das Buch zur Seite und weiß, dass Erfolgsstorys wie die des Josef H. vom Niederrhein nicht am Fließband produziert werden können, sondern nur wenige Menschen die physischen und charakterlichen Voraussetzungen mit sich bringen, um mit viel harter Arbeit und ein wenig Glück schließlich ganz nach oben zu gelangen und dort lange verweilen zu können.
Christoph Mahnel
27.08.2018