Glossen & Berichte

75. Todestag von Joachim Ringelnatz – Der Weise hinter der Narrenkappe

"Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt." Und Humor hatte Ringelnatz (1883-1934), der Großmeister des heiteren, feinsinnigen, skurrilen und satirischen Sprachwitzes. Er war beileibe kein harmloser Spaßvogel, vielmehr ein Querdenker, ein Multitalent, ein ernsthafter, markanter Künstler mit Doppelbegabung, der zeitlebens ein Suchender blieb. Faszinierend nicht nur in seiner Erscheinung, immer wieder gern karikiert, hatte Ringelnatz, der Lebenskünstler Namen und Berufe, die so zahlreich waren wie sein Werk. Seine Gedichte, prall gefüllt, erzählen dicht an der Lebenswirklichkeit, die Stationen seines Lebens: als Abenteurer, Freigeist, Matrose, Liebender, Gefangener, Bohemien.

In Sachsen geboren, begann seine literarische Karriere als Hausdichter im Kabarett "Simplicissimus" in München. Immer wieder in Existenznot hielt er sich mehr schlecht als recht mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Ringelnatz liebte das Leben, die Welt, auch gern extrem. Die Malerei, Poesie und seine Liebe zu Leonarda Pieper, liebevoll "Muschelkalk" genannt, bewahrten ihn vor dem großen Absturz.

Unbeirrbar setzte er seinen unsteten Weg fort. Dieser führte ihn schlussendlich nach Berlin. Dort avancierte er zum angesehenen Künstler und in Intellektuellen Kreisen zum gern gesehenen Gast. In dieser intensivsten Schaffensphase als Schriftsteller, Maler und Vortragskünstler bekam er Anerkennung und wurde gefördert. Als die Nationalsozialisten ihm im Alter von 51 Jahren Bühnenverbot erteilen, seine Arbeiten zur entarteten Literatur erklären, sollte er sich von diesem Schlag jedoch nicht mehr erholen. Nur mit Hilfe Anderer gelang es ihm zunächst zu überleben. Von schwerer Krankheit gezeichnet starb er am 17. November 1934, vor 75 Jahren.

Ringelnatz schrieb Gedichtbände, zwei Autobiografien, Romane, Bühnenstücke und nicht zu vergessen Kinderbücher. Bekannt ist Ringelnatz durch die Kunstfigur "Kuttel Daddeldu", der Seefahrer, indem er autobiographisch seine Zeit bei der Marine verarbeitet. "Reisebriefe eines Artisten", "Allerdings" (Gedichte) und "Kinder-Verwirrbuch" u.a. gehören ebenfalls zu den Ringelnatz-Klassikern. Gleichzeitig reüssierte der vielseitig talentierte Autodidakt auch als Maler und Zeichner. "Publikum - noch stundenlang - / Wartete auf Bumerang." Zu seiner Zeit als Künstler oftmals verkannt, kommt der Bumerang heute umso stärker zurück beim Lesen der Werke dieses genialen Poeten.

Joachim Ringelnatz: Sämtliche Erzählungen und Gedichte
Zürich: Diogenes 2003
S. 1280, € 29,90
ISBN: 978-3-257-06358-5

Anja Saleschke
23.11.2009

 
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