Glossen & Berichte

"Simplicissimus" zeitgemäß übersetzt

Der als bedeutendster Roman des 17. Jahrhunderts geltende "Simplicissmus" von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen wurde nun zum ersten Mal in modernes Deutsch übersetzt. Reinhard Kaiser, der schon viele Bücher aus dem Englischen und Französischen übersetzt hat, äußert sich dazu wie folgt: "Kein Satz ist geblieben wie er war" (Quelle: dpa). Und das ist auch gut so, denn die Mehrheit der Deutschen versteht den 1668/69 erschienenen Schelmenroman nicht. So weichen z.B. die Bedeutungen uns wohlbekannter Worte wie "vergeben" oder "Interesse" im damaligen Gebrauch völlig vom heutigen Sinn ab. Im "Simplicissimus" bedeuten sie "vergiften" und "Zinsen" (Quelle: dpa). Jedoch versichert der 59-jährige Autor, den Sinn nicht verändert, sondern nur modernisiert zu haben, um den Barockroman nicht zuallerletzt der Jugend verständlicher zu machen.

"Simplicissimus" ist ein Kriegs- und Reiseroman und handelt von "Simplicius Simplicissimus" – dem "Einfältigen" –, der seine Lebensgeschichte aus der Ich-Perspektive erzählt. Nach der Flucht vom väterlichen Bauernhof nimmt ihn ein Einsiedler auf und lehrt ihn Lesen und Schreiben. Nach dessen Tod startet der junge Mann seine ereignisreiche Reise rund um die Welt, als Narr, Soldat oder auch Räuber, Opernsänger und Quacksalber. So erlebt Simplicius viele spannende Abenteuer unter anderem in Japan, Ägypten, Konstantinopel und Rom. Am Ende des Romans strandet der Held auf einer einsamen Insel und schreibt dort seine Lebensgeschichte nieder, die er an einen Schiffskapitän weitergibt, der ihn zufällig auf der Insel entdeckt. Das letzte Kapitel bildet der Beschluss des Kapitäns über den "Einfältigen".

Der überarbeitete Roman wird heute (17.08.2009) in Grimmelshausens Geburtsort Gelnhausen anlässlich seines 333. Todestag vorgestellt. Außer seinem Geburtsort weiß man nicht viel über die Kindheit des Dichters. Er wurde 1621 oder 1622 geboren und wuchs in einer Adelsfamilie auf. Früh schon verlor er seine Eltern, ging auf die Lateinschule in Gelnhausen und wurde in den Dreißigjährigen Krieg verwickelt. Aber auch bezüglich seines Literarischen Schaffens gibt es noch einige Unklarheiten: Alle seine Werke veröffentlichte er in den letzten zehn Jahren seines Lebens, und das nicht einmal unter seinem eigenen Namen. Er benutzte verschiedene Pseudonyme, die er mit Hilfe von Anagrammen aus seinem um Hans Jakob gekürzten Namen bildete, wie zum Beispiel German Schleifheim von Sulsfort, das Pseudonym unter dem er den "Simplicissimus" auf den Markt brachte (Quelle: dpa). Erst ca. 60 Jahre nach seinem Tod konnten die Anagramme entschlüsselt werden.

Der "Simplicissimus" ist so bedeutend, dass er u. a. auch großen Einfluss auf Bertolt Brechts "Mutter Courage" und "Die Blechtrommel" von Günter Grass hatte. Durch die Neuübersetzung wird Grimmelshausens Roman wohl wieder einem breiten Lesepublikum großen Lesespaß bereiten.

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen:
Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch
Aus dem Deutschen des 17. Jahrhunderts von Reinhard Kaiser
Eichborn Verlag, Frankfurt/ M. 768 S., 49.95 Euro
ISBN: 9783821847696

Alexander Smirnow
17.08.2009

 
Diese Rezension bookmarken: