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Der Pulitzer Preis 2009 – Frauen räumen ab

Bei der Verleihung des begehrten und renommierten Pulitzer Preises am Montag, dem 20. April 2009, räumte nicht nur die US-Zeitung "New York Times" ab (allein die "Times" gewann 14 Pulitzer Preise), sondern auch drei Frauen taten sich als besondere Preisträgerinnen hervor. Die Werke der Schriftstellerinnen Elizabeth Strout, Lynn Nottage und Annette Gordon-Reed eroberten der Frauenwelt damit eine unbestreitbare Vorreiterrolle unter den Preisträgern 2009.

Jeffersons Geliebte
Der von dem in Ungarn geborenen Journalisten und Verleger Joseph Pulitzer (1847-1911) gestiftete und nach ihm benannte Literaturpreis wird seit 1917 vergeben. Das erste Mal wurde die Auszeichnung in diesem Jahr in der Kategorie "lebende Historie" an eine Afroamerikanerin verliehen. Die Jura-Professorin Annette Gordon-Reed erschrieb sich mit ihrem Buch "The Hemingses of Monticello: An American Family" einen Platz im Pulitzer-Himmel. Gordon-Reed beschäftigt sich seit ihrer Jugend mit der historischen Persönlichkeit Thomas Jefferson, auch während ihrer Studien der Geschichte und des Rechts an den Universitäten Dartmouth und Harvard, ließ sie den dritten Präsidenten der USA nicht aus dem Blick.

So wurden Jefferson und seine Affäre mit der Sklavin Sally Hemings zu einem Hauptthema ihrer Forschungsarbeiten, die sie seit 1992 als Jura-Dozentin an der New York Law School betreibt. Die fesselnde Familiengeschichte, die sie in "The Hemingses of Monticello: An American Family" beschreibt, stützt sich auf neuste DNA-Tests, die beweisen, dass zumindest Hemings jüngster Sohn das Kind des Präsidenten war. Sally Hemings und ihre drei Kinder waren auch die einzigen Sklaven, die Jefferson jemals in die Freiheit entließ. Die in Texas aufgewachsene Autorin Annette Gordon-Reed lebt zurzeit mit ihrer Familie in Manhattan, sie schrieb auch die geschichtlichen Bücher: "Thomas Jefferson and Sally Hemings: An American Controversy" (1997), "Vernon Can Read! A Memoir" (2001) und "Race on Trial: Law and Justice in American History" (2001).

Frauen im Bürgerkrieg
Auch die afroamerikanische Dramatikerin Lynn Nottage lässt das Schicksal von Frauen in historischen Situationen der Unterdrückung nicht los. Sie wurde mit dem Pulitzer Preis 2009 in der Rubrik "Bühnendrama" ausgezeichnet. Das packende Theaterstück "Ruined", für welches sie den Preis erhielt, erinnert an Berthold Brechts "Mutter Courage". Wie in Brechts Stück steht auch hier eine "Puffmutter" im Mittelpunkt des Geschehens. Allerdings spielt die Handlung bei Nottage während des kongolesischen Bürgerkriegs und spiegelt auf drastische Weise den Überlebenskampf der Frauen wider. Junge Kongolesinnen, die vergewaltigt wurden und auf traditionelle Weise das grausame Ritual der Frauenbeschneidung über sich ergehen lassen mussten, nimmt die pfiffige Bordellbesitzerin Mama Nadi bei sich auf.

Den oft traumatisierten jungen Frauen bietet Mama Nadi Schutz und Geborgenheit – mitten im Krieg zeigt sie Mitgefühl und Menschlichkeit. Das Drama ist trotz der Schwere des Themas ein Stück, das das Leben und die Hoffnung feiert. Afroamerikanische Themen und Frauen stehen im Mittelpunkt von Lynn Nottages Schaffen, ihre Bühnenstücke sind mehrfach prämiert. Nottage besuchte die Brown University und die Yale School of Drama.

Eine Kleinstadt im Porträt
In der Kategorie "Belletristik" sicherte sich Elizabeth Strout mit ihrem Roman "Olive Kitteridge" den Pulitzer Preis. Hierzulande  ist die Autorin besser bekannt mit dem bereits auf Deutsch käuflichen Roman "Amy und Isabelle", in der sie eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung beschreibt. "Olive Kitteridge" ist eine Sammlung aus 13 Kurzgeschichten die alle in der kleinen Provinzstadt Maine spielen. Strout kommt selbst aus Maine und so kann man eine leicht autobiographische Note hinter den tiefsinnigen, amüsanten und kritischen Storys vermuten. Das Porträt der kleinen Stadt kommt hoffentlich auch bald hier in Deutschland in die Buchläden. Strout studierte auf dem Bates College und anschließend in Oxford Jura. Doch schon während ihres Studiums veröffentlichte sie eigene Geschichten in Literaturmagazinen. Sechs Jahre arbeitete sie an ihrem 1998 erschienenen Debütroman "Amy und Isabelle" für den sie im Jahr 2000 für den Orange Preis und für den PEN/Faulkner Award nominiert wurde. 2007 unterrichtete sie an der NEH (National Endowment for the Humanities) das Fach kreatives Schreiben. Neben "Olive Kitteridge" (2008) und "Amy and Isabelle" (1998) veröffentlichte sie die Bücher "The Friend Who Got Away" (2005) und "Abide with Me" (2006). 

Von Sachbuch bis Lyrik
Doch auch die Männer gingen nicht leer aus: In der Kategorie "Sachbuch" ging der Pulitzer Preis an Douglas A. Blackman, der für sein Werk "Slavery by Another Name: The Re-Enslavement of Black Americans from the Civil War to World War II" ausgezeichnet wurde. Darin zeigt er schonungslos die Unterdrückung der Afroamerikaner in den USA bis zum Zweiten Weltkrieg auf.

Der Journalist Jon Meacham ("Newsweek") bekam den Pulitzer Preis in der Katgorie "Biografie" für sein mitreißendes Buch "American Lion: Andrew Jackson in the White House", über den siebten Präsidenten der USA Andrew Jackson (1767-1845). Steve Reich komponierte sich mit dem Werk für Flöte, Klarinette und Piano "Double Sextet" in die Herzen der Jury und wurde mit dem Musikpreis ausgezeichnet. Den Pulitzer in der Kategorie "Lyrik" erhielt W.S. Merwin für seinen Band "The Shadow of Sirius".

Maria Merten
27.04.2009

 
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