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Schriftsteller Clemens Meyer: «Habe wild gelebt zwischen 15 und 20»

Leipzig (dpa) - Es war der Überraschungserfolg auf der Leipziger Buchmesse vor zwei Jahren: Das Romandebüt «Als wir träumten» (S. Fischer) des Leipzigers Clemens Meyer (30). In authentischer Sprache schildert der ganzkörpertätowierte Absolvent des Deutschen Literaturinstituts die Erlebnisse einer Jugendgang in seiner Heimatstadt - und wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Den Preis bekam schließlich Ilija Trojanow für «Der Weltensammler». Zwei Jahre danach steht nun das zweite Werk von Clemens Meyer in den Bücherregalen: die Kurzgeschichtensammlung «Die Nacht, die Lichter». Auch damit ist der Schriftsteller für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert; zusammen mit vier weiteren Autoren in der Kategorie «Belletristik». Diesmal sieht er der Preisverleihung zum Messeauftakt am 13. März allerdings gelassener entgegen.

Herr Meyer, was bedeutet für Sie die erneute Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse?

Meyer: «Zwei mal in zwei Jahren, das ist schon ein Ding. Ich hatte gedacht, dass ich diesmal nicht nominiert werde. Obwohl ich felsenfest davon überzeugt bin, dass es ein Spitzenbuch ist. Aber wenn's diesmal nix wird, ist es nicht so schlimm. Der Erwartungsdruck ist nicht so hoch wie 2006. Damals war ich schon enttäuscht. Mein Roman war für mich das herausragendste Buch von den fünf Nominierten.Unter den anderen Werken war meiner Meinung nach keines, wo man sagt "Wow!". Mein Roman war auch vorher schon als Favorit gehandelt worden. Diesmal beschäftige ich mich nicht so mit dem Preis. Wenn etwa Feridun Zaimoglu gewinnen sollte, würde ich es ihm gönnen. Auch Jenny Erpenbeck.»

In Ihren Büchern geht es in authentischer Sprache unter anderem um Boxer, Junkies und Häflinge. Woher haben Sie die detailreichen Kenntnisse über dieses Milieu?

Meyer: «Ich hab mal ein paar Wochen im Jugendarrest gesessen, hab'Bewährungsstrafen gehabt. Man hat eben wild gelebt so zwischen 15 und 20; getrunken, Unsinn gemacht, geklaut. Es war einfach eine gute Zeit. Viele sind dabei auch vor die Hunde gegangen. Ich habe eine illegale Diskothek gehabt und auch alle möglichen Leute kennengelernt, Drogendealer, Knasties...Das war die wichtigste Zeit meines Lebens. Da habe ich genauso viel gelernt wie am Literaturinstitut, habe die Leute reden hören. Für "Die Nacht, die Lichter" war nur eine Recherche nötig: Ich habe mir im Internet Lehrpläne der 5. und 6. Klasse angesehen.»

Mit 28 Jahren haben Sie ihr erstes Werk veröffentlicht. Seit wann schreiben Sie?

Meyer: «Ich höre gerne zu, war schon als Kind und Jugendlicher als einer bekannt, der auf dem Spielplatz und in der Kneipe Geschichten erzählt. Ich habe schon als Schüler geschrieben und bin auf Talent- Wettbewerben aufgetreten, wollte schon immer Schriftsteller werden.Aber ich wollte nie studieren. Ans Deutsche Literaturinstitut bin ich nur gegangen, weil ich nach dem Abitur als Bauhelfer Rückenprobleme bekommen hatte. Aber das Institut ist nicht verantwortlich dafür, dass man ein guter Schriftsteller wird.»

Interview: Sophia-Caroline Kosel, dpa
03.03.2008

Ein ausführliches Autorenpotrait von Clemens Meyer finden Sie auf unserer Partnerseite Haus der Literatur:
http://www.haus-der-literatur.de/newsarchiv/news30.htm#news_meyer

 
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