Glossen & Berichte

Hermann Hesse: Das Porträt zum 130. Geburtstag

"Von meinem dreizehnten Jahr an war mir das eine klar, daß ich entweder ein Dichter oder gar nichts werden wolle." (Hermann Hesse in seinem "Kurzgefaßten Lebenslauf")

"Ich habe, wenn ich ein Buch schrieb, nie daran gedacht, den Leser belehren zu wollen. Mein Bestreben war nur: dem von mir Erlebten, Erdachten oder Geträumten den möglichst vollkommenen Ausdruck zu geben." - Diese Unaufdringlichkeit und doch so große Nähe zu den Lesern, die sich seit vielen Jahrzehnten mit Hermann Hesses Werken identifizieren können, verhalf dem Autor von "Unterm Rad" und "Der Steppenwolf" zu großem Ruhm. Hesse, geboren 1877, lebte in einer Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs, was sich auch in seiner Literatur widerspiegelte. Seine Werke geben noch heute Menschen, verunsichert durch Krisen und Phasen des Umbruchs, die Möglichkeit, in den literarischen Figuren Antworten auf die eigenen Lebensfragen zu finden.

Hermann Hesse wird am 2. Juli 1877 im württembergischen Calw als zweites Kind von Johannes und Marie Hesse geboren. Aufgrund der baltendeutschen Abstammung seines Vaters besitzt Hesse die Staatsbürgerschaft des zaristischen Russlands. Im Laufe seines Lebens erwirbt er auch die Schweizer Staatsbürgerschaft und die des Deutschen Reiches. Hesses Kindheit ist durch die Tätigkeit seines Vaters als Missionar von tiefster Religiosität – gegen die er zunehmend opponiert – geprägt, und Hermanns Laufbahn als Geistlicher schon vorherbestimmt. Nachdem er die Lateinschule in Göppingen abgeschlossen hat, wird er in das Theologische Seminar im Kloster Maulbronn geschickt. 1892 flieht er aus dem Kloster, unternimmt einen Selbstmordversuch und wird in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. Der sensible Junge scheint nur schwer seinen Platz im Leben zu finden. In den folgenden Jahren versucht er sich als Mechaniker und Sortimentsgehilfe und schließt 1898 letztendlich eine Buchhändlerlehre ab.

Die erste Veröffentlichung: „Romantische Lieder“

1899 erscheinen Hesses erste Veröffentlichungen "Romantische Lieder" und "Eine Stunde hinter Mitternacht" bei Eugen Diederichs in Leipzig. Er muss nebenbei auch als Literaturkritiker für Zeitungen und Zeitschriften arbeiten, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Erst sein 1904 bei S. Fischer erschienener Roman "Peter Camenzind" bringt ihm den erwünschten Erfolg, der es ihm ermöglicht, sich in Gaienhofen am Bodensee mit seiner Frau Maria als freier Schriftsteller niederzulassen.

In seinem großen Erfolg von 1906 – "Unterm Rad" – versucht Hermann Hesse einen Teil der eigenen Lebensgeschichte zu bewältigen: Konflikte im Elternhaus und in der Schule, die Themen Theologie, Tradition und Autorität. Durch seinen Großvater mütterlicherseits kommt Hesse schon früh in Berührung mit Indien und der asiatischen Geisteswelt. 1911 intensiviert er diese Kenntnisse und Eindrücke auf seiner Indienreise. Aus diesen Erlebnissen resultiert viele Jahre später "Siddharta. Eine indische Dichtung": die fiktive Lebensgeschichte des Brahmanensohns Siddharta, auch Buddha genannt.

Hesse ist zu diesem Zeitpunkt schon von Bern nach Montagnola umgesiedelt, wo er bis zu seinem Tod den Großteil seiner Zeit verbringen sollte. Er nimmt 1923 die Schweizer Staatsbürgerschaft an, lässt sich von seiner psychisch erkrankten Frau Maria scheiden und heiratet Ruth Wenger, von der er sich aber nur vier Jahre später auch wieder scheiden lässt.

"Der Steppenwolf"

1927 erscheint sein wohl bekanntestes Werk: "Der Steppenwolf". Besonders dieser Roman verhilft ihm in den sechziger Jahren in den USA zu einer Hesse-Renaissance, die einige Zeit später auch nach Deutschland überschwappt. "Der Steppenwolf" gehört zu den programmatischen Texten der nonkonformistischen Bewegung der Sechziger.

Ab Mitte der dreißiger Jahre gilt Hesse in Deutschland als „unerwünschter“ Autor, da er schon früh den Nationalsozialismus kritisiert; er ist zwar auf dem Buchmarkt noch präsent, aber einzelne Werke werden nicht mehr genehmigt. So auch das 1943 schon in der Schweiz erschienene "Glasperlenspiel", das erst 1946 in Deutschland erscheint. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu seinem Tod 1962 erhält Hermann Hesse mehrere große Auszeichnungen. 1946 verleiht ihm die Schwedische Akademie den Literaturnobelpreis und die Stadt Frankfurt den Goethe-Preis. Ein Jahr später wird er Ehrendoktor der Universität Bern und 1955 erhält er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Seine Werke sind bislang in knapp 60 Sprachen übersetzt worden.

Hesse, der schon lange ohne sein Wissen an Leukämie litt, stirbt am 9. August in seinem Haus in Montagnola. Theodor Heuss schreibt später an Ninon Hesse, Hermann Hesses dritte Ehefrau: "Mit Hermann Hesse verliert die Literatur und Dichtung des deutschen Sprachbereichs eine ihrer lautersten Stimmen."

Der Lyriker, Maler, Literaturkritiker Hesse 

Hermann Hesse ist künstlerisch zwar hauptsächlich für sein Prosa-Werk bekannt geworden, dennoch war er auch als Lyriker, Maler und Literaturkritiker tätig. Als Letzteres betätigte er sich zumindest anfangs häufig aus finanzieller Not heraus, denn eigentlich hielt er das Rezensieren, das ihn von seiner eigentlichen literarischen Tätigkeit abhielt, für lästig. Insgesamt hat er rund 3000 Kritiken in unterschiedlichen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht.

Seine Liebe zur Malerei entdeckte er erst spät – im Gegensatz zu Goethe, der schon früh neben seiner Schriftstellerei auch malte. Für Hesse persönlich war die Malerei allerdings keine adäquate künstlerische Ausdrucksform, er sagte selbst 1903 darüber: „Wie oft hab’ ich mir schon gedacht, was für herrliche Bilder ich machen würde, wenn ich nur Maler wäre statt Dichter! Dabei kann ich keinen Strich zeichnen oder malen.“

Hesses lyrisches Werk steht in der Tradition von Goethes Bekenntnisdichtung. Sie ist Ausdruck subjektiver Erlebnisse und Stimmungen, die ins Symbolische und Allgemeingültige übertragen wurden.

Meist übersetzter Autor seit den Gebrüdern Grimm 

Insgesamt betrachtet steht Hermann Hesses Werk einerseits in der Nachfolge der romantischen Schreibart Eduard Mörikes oder auch Ludwig Uhlands, andererseits aber hat Hesse auch aus der gesellschaftskritischen Perspektive des Realismus und Naturalismus geschrieben. Bezeichnend dafür ist die Auseinandersetzung mit Erscheinungen des politischen und ökonomischen Wandels im 19. und 20. Jahrhundert.

Hermann Hesse gilt heute als der meist übersetzte deutschsprachige Autor seit den Gebrüdern Grimm. Neben dem großen deutschensprachigen Markt, ist seine Leserschaft auch in den USA und Asien sehr groß. Insbesondere jugendliche Leser, die sich auf der Suche nach der eigenen Identität befinden, finden in Hesses Werken eine große Herausforderung und zugleich Hilfe, sich mit der Frage nach dem Sinn des Lebens auseinanderzusetzen. Die Verbindung von Ethik und Ästhetik, Tradition und Moderne mit einem zukunftsoffenen Weltbild macht in einem Zeitalter zunehmender Desorientierung die Größe der Hesseschen Werke aus.

Hermann Hesse Bibliografie (Auswahl)

  • Peter Camenzind (1904)
  • Unterm Rad (1906)
  • Gertrud (1910)
  • Knulp. Drei Geschichten aus dem Leben Knulps (1915)
  • Demian. Die Geschichte einer Jugend (1919)
  • Siddharta. Eine indische Dichtung (1922)
  • Der Steppenwolf (1927)
  • Narziß und Goldmund (1930
  • Die Morgenlandfahrt (1932
  • Das Glasperlenspiel (1943)

Literatur über Hermann Hesse

  • Volker Michels (Hg.): Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten (Insel Verlag, Frankfurt/M, 2006)
  • Bernhard Zeller: Hermann Hesse (Rowohlt Verlag, Hamburg 2005)

 
Diese Rezension bookmarken: