Buch des Monats - April 2010

Im Angesicht menschlicher Abgründe

März 2009: Der Musikproduzent Peter Bruhns wird in Kiel ermordet. Das Szenario, das der Täter mit den Leichen Bruhns´ und dessen blutjungen Geliebten drapiert hat, scheint ein erster Fingerzeig dafür zu sein, dass Bruhns alles andere als ein Saubermann war. Die beiden ermittelnden Kommissare Sören Henning und Lisa Santos werden zudem noch intern in ihren Ermittlungen behindert. Ist es seitens der Staatsanwaltschaft etwa unerwünscht, die Wahrheit herauszufinden? Als dann ein weiterer Mord geschieht und viel zu schnell durch das LKA der vermeintliche Täter präsentiert wird, ist beiden klar, dass hier einiges faul ist.

Der Vielschreiber Andreas Franz hat seinen neuesten Roman wieder einmal nach Schleswig-Holstein verlegt, in das nur auf den ersten Blick beschauliche Kiel, wo Henning und Santos in ihrem mittlerweile dritten Fall ermitteln dürfen. Neben der Frankfurter Kommissarin Julia Durant und dem Offenbacher Kollegen Peter Brandt hat Franz damit sein drittes Standbein gefestigt: Mit "Eisige Nähe" haben Henning und Santos bewiesen, dass sie weder stromlinienförmige Ermittler noch Kopien anderer Protagonisten sind, sondern als individuelle Charaktere ihrer Arbeit nachgehen und sich somit ein unverkennbares Profil gegeben haben.

Franz widmet sich in dem vorliegenden Roman, der mit knapp 600 Seiten zu einem seiner umfangreichsten Werke zählt, wieder einmal einem seiner Lieblingsthemen: der organisierten Kriminalität. Dabei bringt er zur Sprache, was mittlerweile jedem aufgeklärten Bürger bewusst sein dürfte, dass sich nämlich dieser Globus in der Hand des organisierten Verbrechens befindet, das täglich Unsummen an Geldern erwirtschaftet. Und dies mit einer menschenverachtenden Skrupellosigkeit, die im traurigsten und wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht. Wer sich schon mit früheren Franz´ Romanen und seiner schriftstellerischen Vorgehensweise beschäftigt hat, der weiß genau, dass bei Franz Authenzität ob seiner guten Kontakte zur Polizei Trumpf ist. Die Plots in Franz´ Romanen sind natürlich fiktiv, aber niemals an den Haaren herbeigezogen.

"Eisige Nähe" bietet dem Leser einiges: Neben einem über Jahrzehnte perfekt funktionierenden Auftragsmörder und der Unterwanderung des Verfassungsschutzes sowie anderer Institutionen durch kriminelle Organisationen hat er die aus letzterem resultierende Machtlosigkeit einzelner Ermittler im Polizeiapparat zum Thema gemacht. Dieses Spannungspaket gepaart mit dem unvergleichlichen Schreibstil Franz´, der den Leser wie kein anderer zu fesseln versteht, versprechen wieder einige spannende Stunden, in denen der Leser definitiv nicht gestört werden darf! Als fader Beigeschmack bleibt lediglich der misslungene Epilog nach Abschluss des Falles, wo Franz im Zeitraffer den Werdegang oder auch Nicht-Werdegang der übriggebliebenen Personen skizziert. Hier mag man sich zukünftig vielleicht wünschen, dass ein Krimi auch gerne schon zehn Seiten früher aufhören darf.

Im vorliegenden Buch wird mehrfach Bezug auf die beiden Kieler Vorgängerromane "Unsichtbare Spuren" und "Spiel der Teufel" genommen, ohne dass allerdings deren Kenntnis Voraussetzung für das Lesevergnügen ist. Einen kurzen Gastauftritt genießt auch Julia Durant vom Frankfurter Dezernat, die Henning und Santos mit Informationen zu einem 25 Jahre zurückliegenden Fall versorgt. Sie selbst wird allerdings laut Ankündigung des Autors erst wieder im Jahre 2011 auf der Bildfläche erscheinen. Für den Herbst diesen Jahres ist dagegen noch ein Abenteuer mit Peter Brandt geplant. Die Fans von Andreas Franz werden sich über dessen konstant hochgehaltene Schreibfrequenz freuen, denn irgendwie scheint er immer noch in der Lage zu sein, sich weiterhin von Buch zu Buch zu steigern.

Christoph Mahnel
06.04.2010

 
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Das Buch:

Andreas Franz: Eisige Nähe. Kriminalroman

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München: Knaur Verlag 2010
582 S., € 16,95
ISBN: 978-3-426-66300-4

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