Buch des Monats - Februar 2010

«Gezeichnet»: Unter den Jung-Vampiren menschelt es

Auf Särge und tiefe Blutspuren können Vampire von heute verzichten. Auch im neuesten Blutsauger-Roman «Gezeichnet» aus den USA knarrt kein Sargdeckel, und bleckt kein Ungeheuer die scharfen Reißzähne. Und Menschenblut wird nicht in Strömen vergossen, sondern allenfalls tröpfchenweise. Mit diesem Erfolgsrezept ist das Autorengespann P.C. Cast und Tochter Kirstin aus Oklahoma jetzt in die Fußstapfen von Stephenie Meyer auf ihrem Siegeszug in die Bestsellerlisten getreten. Der erste Band ihrer Serie «Gezeichnet - House of Night» hat in den USA bereits über acht Millionen Leser gefunden. Auch hierzulande hat sich das Opus an die Spitze der Bestsellerlisten katapultiert.

Dieser neue Beitrag zur beachtlich angewachsenen Zahl der Vampir-Storys stellt die 16-jährige Zoey in den Mittelpunkt, die mitten im Schulalltag von einem Vampir-Späher markiert wird. Die für alle sichtbare saphirblaue Mondsichel auf Zoeys Stirn verändert ihr Leben total. «Er hat dich gezeichnet», schreit Zoeys Freundin Kayla, die den Späher ebenfalls gesehen hat. Nur auf Zoey hat der Abgesandte aus dem Reich der Vampire mit seinen langen weißen Zeigefinger gedeutet. Die Schülerin weiß, das ist das unwiderrufliche Ende des normalen Lebens mit den Freunden und der Familie. Dass sie sofort die Schule verlassen muss, ist unausweichlich.

Zoey fühlt zunächst Verzweiflung darüber, dass sie nun ein elendes blutsaugendes Monster zu werden hat. Doch wie wird man ein richtiger Vampir? Ihr wird bewusst, dass sie dazu eine gediegene Ausbildung bei erfahrenen Vampiren absolvieren muss. Das Autorengespann Cast schickt Zoey ins «House of Night», ein privates Internat in der Stadtmitte von Tulsa, allseits bekannt als Vampir-Pensionat. Hinter den dicken Mauern eines ehemaligen Klosters streben die Nachwuchstalente danach, richtige Vampire zu werden. Doch dies wird nur jener, der die «Wandlung» übersteht. Wer das nicht schafft, bleibt sterblich.

Zoey ist von Natur aus ein fröhliches Mädchen, das sich im Vampir-Internat leicht zurecht finden könnte, gäbe es da nicht Aphrodite, eine blonde, überaus schöne junge Dame, die auserkoren ist, später Hohepriesterin zu werden. Zoey begegnet Aphrodite, und der Kampf um die Führung innerhalb der Cliquen im gesamten Haus beginnt. Was keiner im Internat weiß: Zoey ist die Göttin der Nacht. Doch ihr geht es nicht um Macht, sondern um Erik, den sie abgöttisch liebt, auch wenn der bisher der Geliebte von Aphrodite ist. Und nicht anders als bei jungen Menschen außerhalb der Mauern wird auch hier der Kampf um die Liebe mit harten Bandagen geführt.

Harry Potter lässt grüßen

Wer «Gezeichnet» gelesen hat, weiß, worin der große Erfolg des Buches liegt. Es ist eine Fantasy-Geschichte, die vieles mit dem Leben der jungen Leser gemein hat, aber doch den Schleier in eine andere Welt lüftet. Vampire sind nicht länger bösartige Untote, sondern menschelnde Weltenbürger, nicht besser, aber auch nicht schlechter als die Sterblichen. Da der Roman - ebenso wie Meyers «Bis(s)»-Reihe - in der heutigen Zeit spielt, ist das Identifikationspotenzial hoch. Originell ist er aber nicht. Vielmehr werden Versatzstücke aus der Literatur ein wenig anders zusammen gesetzt. Harry Potter lässt grüßen ebenso wie «Der Herr der Ringe», wie Figuren aus klassischen Märchen und natürlich wie Bella aus der «Bis(s)»-Trilogie. Das Schwarz-Weiß-Schema des Buches können auch Weisheiten nicht verdecken wie «Die Dunkelheit und das Böse sind nicht immer gleichzusetzen, ebenso wie das Licht nicht immer Gutes verheißt».

Offen bleibt die Frage, warum gerade Nachtschattengewächse wie Vampire derzeit so überaus beliebt sind. Vielleicht, so mutmaßen Internetuser in Diskussionsforen, macht sie ihre Widersprüchlichkeit - sie sind wunderschön und können trotzdem bösartig sein - so unwiderstehlich. Bereits der Vampir-Klassiker «Dracula» von Bram Stoker löste im Jahre 1897 eine wahre Vampir-Hysterie aus. Dabei sind Schauermärchen über Wesen, die Menschen oder Tieren das Blut aussaugen, zu allen Zeiten und in allen Kulturkreisen bekannt. Früher meistens als Triebtäter gefürchtet, sind die Vampire der Neuzeit zu menschlichen Wesen mutiert. Allerdings mit einem Vorteil: Normalsterblichen setzen Gesetze und Verordnungen Grenzen. Den magischen Kräften von Vampiren aber kann kaum einer Einhalt gebieten.

Susanna Gilbert-Sättele, dpa
01.02.2010

 
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Das Buch:

P. C. Cast und Kristin Cast: Gezeichnet - House of Night 1. Aus dem Amerikanischen von Christine Blum

Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 2009
462 S., € 16,95
ISBN: 978-3-596-86003-6

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