Buch des Monats - August 2009
Phantastisches von der Grünen Insel
Ein in die USA ausgewanderter Däne mit einem Faible für Irland und die Mythen der Grünen Insel hat für eines der am meisten zu beachtenden Bücher im ersten Halbjahr 2009 gesorgt: Christian Mørk und sein Erstling "Darling Jim". Mørk arbeitete unter anderem als Journalist bei der New York Times und als Filmproduzent für Warner Brothers. "Darling Jim" ist nach außen hin als Psychothriller gekennzeichnet, besitzt zudem aber auch Fantasy-Elemente, die sehr geschickt mit der Haupthandlung interagieren.
Mørk hat mit Jim Quick einen äußerst charismatischen Hauptdarsteller geschaffen, der - wo immer er auch auftaucht - die Menschen verzaubert. Man stelle sich in etwa Jean-Baptiste Grenouille aus "Das Parfüm" in der Szene vor, in der er auf dem Weg zu seiner eigenen Hinrichtung ist und mit seinem perfekten Duft die Menschen in seinen Bann zieht und für sich gewinnt. So ähnlich und ständig wirkt Jim Quick, insbesondere natürlich auf die Damenwelt. Dieser Jim Quick ist ein seanchaí, ein umherreisender Geschichtenerzähler, dessen Charme zugegebenermaßen durch Mørk ziemlich karikiert und überzogen dargestellt wird.
Im County Cork, im kleinen Städtchen Castletownbere, nehmen sowohl Geschichte als auch Unheil ihren Lauf. Dort leben die drei Walsh-Schwestern Fiona und die beiden Zwillinge Roísín und Aoife in mehr oder weniger engem Kontakt zu ihrer Tante Moira. Zeitgleich zum Auftauchen Jim Quicks und seines roten Motorrads passieren in der Gegend einige Morde an Frauen. Zwischenmenschlich und körperlich ereignet sich so einiges zwischen Jim und diesen vier Frauen, insbesondere Tante Moira ist dem Charme des seanchaí erlegen und plant kurzerhand ihre Vermählung mit ihm. Einige Jahre später werden in einem einsamen Haus nordöstlich von Dublin drei Frauenleichen gefunden: Fiona, Roísín und Moira. Dem jungen, verträumten Postangestellten Niall fällt kurze Zeit nach dem grausigen Fund in Malahide zufällig Fionas Tagebuch in die Hände. Genau hier setzt die eigentliche Handlung des vorliegenden Buches ein. Dank Nialls Beharrlichkeit erfährt der Leser dann im Folgenden retrospektiv über die Tagebücher der beiden verstorbenen Schwestern Stück für Stück die grausamen Einzelheiten über das Schicksal der Frauen und des Jim Quick.
Christian Mørk ist sicherlich nicht der erste, der einen Psychothriller nicht-chronologisch erzählt, allerdings ist sein Kunstgriff über die ausführlichen Tagebücher Fionas und Roísíns aller Ehren wert und verpasst "Darling Jim" eine besondere und gelungene äußere Form. Ebenso wird sich im Verlauf des Buches zeigen, dass die von Jim Quick in den Pubs rund um Castletownbere zum Besten gegebene fantastische Geschichte über die beiden Königssöhne Euan und Ned zur Zeit der normannischen Invasion nicht nur eine nette und unterhaltsame Geschichte eines seanchaí ist, sondern noch einen viel tieferen und realen Ursprung besitzt.
Mørk verdient ein großes Kompliment, einen Psychothriller komplett anders aufgezäumt zu haben. Die Ermittlungsarbeit durch die Tagebücher geschehen zu lassen, macht "Darling Jim" zu einer wirklich besonderen und höchst lesenswerten Neuerscheinung in 2009. Wenn der Leser nach Abschluss von "Darling Jim" das Buch zuklappt und auf dem Klappentext liest, dass Christian Mørk in Brooklyn lebt und dort bereits an seinem neuen Roman schreibt, dann wird er sich freuen und zu recht auf eine ähnlich gute Unterhaltung wie bei "Darling Jim" hoffen.
Christoph Mahnel
03.08.2009