Buch des Monats Februar 2021

Literatur von der schönsten, außerdem berauschendsten Sorte

Stell dir vor, auf dem Weg ins Jenseits gäbe es eine riesige Bibliothek, gesäumt mit all den Leben, die du hättest führen können. Buch für Buch gefüllt mit den Wegen, die deiner hätten sein können. Hier findet sich Nora Seed wieder, nachdem sie aus lauter Verzweiflung beschlossen hat, sich das Leben zu nehmen. An diesem Ort, an dem die Uhrzeiger immer auf Mitternacht stehen, eröffnet sich für Nora plötzlich die Möglichkeit herauszufinden, was passiert wäre, wenn sie sich einst anders entschieden hätte. Jedes Buch in der Mitternachtsbibliothek bringt sie in ein anderes Leben, in eine andere Welt, in der sie sich zurechtfinden muss. Aber kann man in einem anderen Leben glücklich werden, wenn man weiß, dass es nicht das eigene ist?

In einem Leben hält Nora als Olympiasiegerin über 800 Meter Freistil Vorträge bezüglich Erfolg, in einem anderen geht sie mit ihrer besten Freundin nach Australien, und wieder einem anderen eröffnet sie mit ihrem Verlobten ein Dorf-Pub in Oxfordshire, und in einem weiteren anderen steht sie mit ihrer Jugendband auf der Bühne und lässt sich von den Fans feiern. Aber die innere Leere lässt sich mit keinem Leben füllen - egal, wie sehr Nora das möchte. Sie fühlt sich einsam, vermisst Geborgenheit und sehnt sich nach Liebe. Nur mit Hilfe von Antidepressiva schafft sie es einigermaßen durch den Tag. Die Ehe mit Dan ist zerrüttet, nachdem er ihr fremdgegangen ist, die beste Freundin ist bei einem Verkehrsunfall gestorben und zu ihrer Familie hat Nora keinerlei Kontakt.

Hat sie überhaupt eine Chance auf das große Glück? Und tatsächlich findet sich ein Buch, das Noras sehnlichste Wünsche zu erfüllen scheint. In diesem Leben ist sie mit einem Arzt verheiratet, hat eine Tochter, die sie abgöttisch liebt, und scheint endlich angekommen zu sein. So vergehen die Stunden, Tage und Wochen. Nora arrangiert sich mit ihrem neuen Dasein, allerdings früher oder später eher schlecht als gut. Der Wunsch, endgültig einen Schlussstrich zu ziehen, holt sie erneut ein. ist sie stark genug oder wird sie nachgeben. Wenn letzteres, dann stürzt mit ihrem Tod die Mitternachtsbibliothek für immer ein. Und das darf und will Nora nicht zulassen. Doch was ist der Ausweg ...?

Unterhaltung, die das Herz berührt und den Leser unfassbar glücklich macht - die Romane von Matt Haig gehören zum Besondersten, was man in die Hände kriegen kann, und das im besten literarischen Sinne. Diese sind ein Schatz, einmalig und deshalb seltenst wertvoll. Kaum "Die Mitternachtsbibliothek" aufgeschlagen, verliert man sich mit allen Sinnen in der Handlung. Diese zeugt nicht nur von Gefühlen pur, sondern überrascht auch mit philosophischen Gedanken; fast so als hätte Guillaume Musso die Story geschrieben. Die Erzählkunst des britischen Autors verschlägt einem nicht nur den Atem, sondern sogar die Sprache. Seine Werke berauschen einen regelrecht, machen ganz high, sind ein Genuss sondergleichen. Man erliegt diesem ab dem ersten Satz.

Es gibt Bücher, die verändern Leserleben für immer. Und Matt Haigs "Die Mitternachtsbibliothek" ist genau solch eins. Mehr noch: Es leuchtet regelrecht von innen heraus. Es gleicht einer Offenbarung über die Höhen und Tiefen des Lebens. Und es spendet Hoffnung, dass auf Regen irgendwann wieder Sonnenschein folgt. Was für ein Geschenk im Bücherregal! Es überwältigt einen wie kaum etwas anderes. Absolut grandios, ein emotionales, poetisch-anmutendes Meisterwerk vom ersten bis zum letzten Satz!

Susann Fleischer 
01.02.2021

 
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Das Buch:

Matt Haig: Die Mitternachtsbibliothek. Aus dem Englischen von Sabine Hübner

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München: Droemer Verlag 2021 320 S., € 20,00 ISBN: 978-3-426-28256-4

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