Wissenschaften

Interpretationsgeschichte der "Germania"

30 Seiten, vermutlich im Jahre 98 n. Chr. verfasst, einzige erhaltene ethnographische Monographie der Antike - das sind die Eckdaten der erst im 15. Jahrhundert wiederentdeckten Schrift des r?mischen Historikers und Politikers Publius Cornelius Tacitus ?ber das Volk der Germanen. Die Absichten, die Tacitus mit seiner "Germania", die urspr?nglich ohne Titel ?berliefert wurde, verfolgte, sind bis heute nicht ganz gekl?rt: Wollte er dem r?mischen Volk, das zur Zeit der gr??ten Ausdehnung des Reiches in Dekadenz unterzugehen schien, ein positives Gegenbeispiel bieten, indem er die Germanen als ein sittsames, treues, tapferes Volk darstellte, ja sogar idealisierte? Oder wollte der r?mische Schriftsteller und Politiker seinem Volk eine Rechtfertigung liefern, warum die Germanen nie vollst?ndig erobert werden konnten? Die Antwort darauf bleiben auch heutige Forscher schuldig, dennoch ist eines klar: Tacitus? "Germania" unterlag in den Jahrhunderten nach ihrer Entdeckung immer wieder unterschiedlichen Lesarten und wurde f?r verschiedene Zwecke benutzt und nicht zuletzt auch missbraucht im Zuge des Germanenkults und Rassenwahns der Nationalsozialisten. 

Der Altphilologe Christopher B. Krebs nimmt seine Leser mit auf eine unterhaltsame Reise durch die Interpretationsgeschichte der "Germania", die den Mythos des unbeugsamen und dennoch sittsamen Germanen ?ber Jahrhunderte hinweg transportiert hat: angefangen bei Enoch von Ascoli, dem Abgesandten der Papstes, der um 1455 die Handschrift (Codex Hersfeldensis) in der Abtei Hersfeld entdeckte und die "Germania" damit wieder nach Rom brachte, bis zu Heinrich Himmlers Versuch, 1943 die Handschrift aus Italien wieder "heim ins Reich" zu holen. Dazwischen liegen die Versuche, den Deutschen einen Ursprung zu verschaffen und ihnen den fehlenden Nationalgeist und Nationalstaat zu geben.

Mit "Ein gef?hrliches Buch" beweist der geb?rtige Berliner und heute in den USA lebende Christopher B. Krebs, dass er nicht nur ?u?erst belesen ist, sondern auch unterhaltsam, anschaulich und massentauglich schreiben kann. Er verfasste seine Studie urspr?nglich nicht in seiner Muttersprache Deutsch, sondern in Englisch - und hat sich dabei auch von der anglo-amerikanischen Art und Weise, historische und gesellschaftspolitische Themen zu vermitteln, inspirieren lassen: spannend, gut lesbar, aber auch zu oft unn?tig zugespitzten H?hepunkten neigend. Aber gerade dieser Stil ist es, der einem als Leser Spa? macht. Die Lekt?re europ?ischer Geistesgeschichte ist nie so einfach gefallen wie mit Krebs? Rezeptionsgeschichte eines der ber?hmtesten Werke der Antike.

Auf die Frage, wie gef?hrlich denn Tacitus? "Germania" wirklich war und ist, gibt Krebs selbst die bestm?gliche Antwort: "Schlie?lich schrieb nicht der r?mische Historiker Tacitus ein h?chst gef?hrliches Buch; dazu machten es erst seine Leser."

Sabine Mahnel
26.03.2012

 
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Das Buch:

Christopher B. Krebs: Ein gefährliches Buch. Die "Germania" des Tacitus und die Erfindung des Deutschen. Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer

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München: DVA 2012
352 S., € 24,99
ISBN: 978-3-421-04211-8

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