Wissenschaften

Rom – mal ganz anders

Über Rom, die mächtigste Metropole der antiken Welt, sind viele Bücher geschrieben worden, über ihren Aufstieg und ihren Untergang, über ihre schillernden Figuren, ob Feldherren, Staatsmänner, Kleriker oder Künstler. Kurzum: Eigentlich ist fast alles gesagt zu Rom, da es aus fast jedem Blickwinkel beleuchtet ist. Steffen Bogen und Felix Thürlemann lassen mit dem vorliegenden Buch den Leser einen ganz anderen, besonderen Zugang zu Rom finden, nämlich über die Geschichte der Karten zur "Ewigen Stadt". Sie schildern darin auf über 200 Seiten und unterstützt durch circa 150 Farbabbildungen die Geschichte der Kartographie von der Antike bis heute anhand des Beispiels Rom.

Das vorliegende Buch ist in insgesamt 39 Kapitel aufgeteilt, wobei in jedem Kapitel eine bestimmte Karte im Fokus steht und dadurch eine ganz besondere Sicht auf die "Urbs Romae" für den Leser bereithält. Beginnend mit Fragmenten eines Marmorplans aus dem dritten nachchristlichen Jahrhundert zur Zeit des Kaisers Septimus Severus wird der Leser auf eine Zeitreise durch die kartographische Geschichte der Stadt Rom mitgenommen. Über die Leistungen Karl Baedekers jun., der sich im 19. Jahrhundert als erster an den Ansprüchen des modernen "Touristen" orientiert hat, gelangt man schließlich unweigerlich zu den aktuellen Umsetzungen durch OpenStreetMap und Google Maps. Die 39 chronologisch geordneten Kapitel sind darüber hinaus in fünf Oberkapitel zusammengefasst, zu denen jeweils eine Einleitung Gemeinsamkeiten der sich darin befindlichen und thematisierten Karten liefert. Abgerundet wird das vorliegende Buch durch einen Katalog, eine Bibliographie und einen Abbildungsnachweis, um den Ansprüchen eines wissenschaftlichen Werkes Genüge zu tragen.

Unweigerlich stellt sich dem Leser die Frage, warum die Wahl der Autoren für die Umsetzung ihres Vorhabens, eine Geschichte der Kartographie zu erstellen, auf die heutige Hauptstadt Italiens gefallen ist? Dies wird bereits im Vorwort sehr deutlich herausgestellt: Rom ist diejenige Stadt, für die es ein - seinesgleichen suchendes - reichhaltiges und konsequent über die Jahrhunderte hinweg vorrätiges Material an Karten gibt: Rom als eine der drei bedeutendsten Städte der antiken Welt, Rom als Sitz der Päpste und Bischöfe und Rom als moderne Metropole. Eine andere Stadt, für die sich hinsichtlich ihrer Bedeutsamkeit eine solche Brücke über die Jahrhunderte spannen lässt, wird man auf dieser Welt vergeblich suchen. Somit dient Rom dem vorliegenden Buch zugleich als Beispiel, aber auch als Sonderfall ob seiner Einzigartigkeit. Zudem liefert die spezielle Topographie der Stadt einen zusätzlichen Anreiz die beinahe zweitausendjährige Kartengeschichte Roms in Verbindung mit der Geschichte der Stadt zu erforschen.

Der wissenschaftliche Charakter des Buches ist von den beiden Autoren, die an der Universität Konstanz als Privatdozent bzw. Professor für Kunstwissenschaft und Kunstgeschichte tätig sind, beabsichtigt und tritt immer wieder deutlich zutage. So wird dem Leser der doppelte Prozess, dem Karten gehorchen sollten, plausibel gemacht: Zum einen zeichnet oder druckt der Schöpfer einer Karte etwas auf Papier, zum anderen aber wird eine Karte ihrer Bestimmung erst dann gerecht, wenn sie eine bestimmte Haltung ihres Nutzers trifft. Die beiden Autoren widmen sich im Laufe der 39 Kapitel ausführlich der Konzeptvielfalt von Karten. Wissenschaftlich betrachtet kann man drei Phasen unterscheiden, wobei erst in der dritten Phase, deren Beginn auf das frühe 18. Jahrhundert datiert wird, die Karte zu einem Instrument wird, mit dem seine Nutzer sich im Unbekannten orientieren können. Dem Leser wird die breite Palette an Leistungen und Funktionen der Kartographie sehr gut verdeutlicht, ebenso wie sich die Konzeptionen von Karten im Laufe der Jahrhunderte verändert haben.

"Rom. Eine Stadt in Karten von der Antike bis heute" hat zwar einen unverkennbaren wissenschaftlichen Hintergrund, ist aber dennoch für jedermann verständlich geschrieben. Um ein ausreichendes Verständnis für die grundlegenden Herausforderungen in der Kartographie zu entwickeln, werden die entscheidenden Fragen thematisiert: Was soll eine Karte leisten? Wie erstellt man eine Karte? Wie gelangt man zu einer Grobstruktur und wie verfeinert man durch Vermessungen? Diese im Zeitalter der perfekten Vermessungen durch GPS- und Satelliten-Technologie einem so banal und trivial erscheinenden Fragen begleiten den Leser bei seiner Zeitreise. Dennoch verlangt das vorliegende Buch kein sequentielles Studium, sondern erlaubt auch das Herauspicken einzelner Kapitel und ein Vor- und Zurückspringen im Werk. Die zahlreichen großformatigen Abbildungen sind hier nicht nur schmückendes und illustrierendes Beiwerk, sondern der Kern der Argumentation, und sorgen dafür, dass sich auch der Rom-unkundige Leser sehr schnell zu Hause fühlt.

Christoph Mahnel
09.11.2009

 
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Das Buch:

Steffen Bogen, Felix Thürlemann: Rom. Eine Stadt in Karten von der Antike bis heute

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Darmstadt: Primus Verlag 2009
232 S., € 39,90
ISBN: 978-3-89678-661-6

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