Wissenschaften

Nordeuropa – Einheit trotz Vielfalt?

Mit insgesamt 24 Millionen Einwohnern scheint der Gesamtraum Nordeuropa nicht unbedingt zu den (ge)wichtigsten Regionen der Welt zu zählen. Betrachtet man jedoch die Rolle des Nordens, die er auf globaler Ebene in Bezug auf Handel, Industrie und politisches Engagement hat, so kommt man nicht umhin, ihn als wichtigen Faktor ernst zu nehmen. In dem Band „Nordeuropa. Geographie, Geschichte, Wirtschaft, Politik“ geben die drei Hauptautoren Ewald Gläßer, Rolf Lindemann, Jörg-Friedhelm Venzke, die ihre Texte zusammen mit fünf weiteren Autoren erstellt haben, einen Überblick über die unterschiedlichen und gemeinsamen landesgeschichtlichen, demographischen, ökonomischen, ökologischen und geopolitischen Aspekte der fünf nordischen Staaten.

Schon die Frage „Was ist eigentlich der Norden und welche Staaten gehören dazu?“ ist nicht einfach zu beantworten und die Definitionen variieren je nachdem, ob man geographische, sprachgeschichtliche, politische oder historische Maßstäbe ansetzt. Gläßer, Lindemann und Venzke haben sich dem Großraum Norden mit Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland, Island und den teilautonomen Färöern und Grönland angenommen und behandeln diese staatsgrenzenübergreifend mit Hilfe von 86 Abbildungen, 75 Bildern und 29 Tabellen.

Beginnend mit der Landesgeschichte gehen die Autoren auf Wikingerexpansion, Christianisierung, Hanse und Stadtplanung ein. Die demographischen Besonderheiten der nordischen Länder, wie die im Vergleich zu Mitteleuropa relativ geringe Bevölkerungsdichte, die ethnische Homogenität und den Aspekt Immigration, werden im zweiten Teil des Buches näher beleuchtet. Für den Norden charakteristisch und prägend ist die Raumentwicklung, insbesondere der Aufschwung der Hauptstadtregionen und die damit verbundene wirtschaftliche und industrielle Entwicklung. Sämtliche wirtschaftliche Bereiche (Fisch-, Agrar-, Wald- und Forstwirtschaft) werden von den Autoren ausführlich in den jeweiligen Kapiteln behandelt.

Verknüpft mit dem viel zitierten schwedischen Wohlfahrtsstaatsmodell erläutern Gläßer, Lindemann und Venzke die Bedeutung des Dienstleistungsstandorts Norden und seine Topplatzierungen im weltweiten Vergleich: Alle fünf Staaten befinden sich unter den Top 15 der Staaten der Welt.

Auch wenn der nordische Tourismus im weltweiten Vergleich keine besonders große Rolle spielt und auch in Zukunft keine größere Bedeutung erlangen wird, wird ihm ein eigenes Kapitel gewidmet, da er sich vor allem im Bereich des Individualtourismus etabliert und einige nur im Norden auffindbare Charakteristika zu bieten hat.

Abschließend stellt sich – auch den Autoren – die große Frage, welche Aspekte den Norden denn nun überhaupt als eine Einheit erscheinen lassen. Denn auch wenn man gemeinhin immer den Eindruck hat, der Norden präsentiere sich als geschlossene Einheit gegenüber dem restlichen Europa und der Welt, so wird doch im Verlauf der Länderkunde mehr als deutlich, dass geologisch, wirtschaftlich, politisch und klimatisch sehr große Unterschiede vorliegen. Die Einheit konstituiert sich folglich aus den sozialgeographischen Gemeinsamkeiten, wie Bevölkerungsstruktur, Siedlungsgefüge, Kultur- und Bildungssystem.

Das wissenschaftlich hohe Niveau dieser Länderkunde eignet sich vor allem für den studentischen Leser, aber auch für den interessierten und nicht spezialisierten Leser, der zuverlässige, qualifizierte und dennoch leicht verständliche Darstellungen über Nordeuropa sucht.

Sabine Mahnel
17.11.2008

 
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Das Buch:

Ewald Gläßer, Rolf Lindemann, Jörg-Friedhelm Venzke: Nordeuropa. Geographie, Geschichte, Wirtschaft, Politik

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Darmstadt: WBG 2003
234 S., € 39,90
ISBN: 978-3-534-14782-3

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