Wissenschaften
Schizophrenie: Zusammenfassung aktueller wissenschaftlicher Ergebnisse
Die Diagnose Schizophrenie stellt einen gravierenden und dauerhaften Einschnitt in das Leben von Betroffenen und Angehörigen dar. Diese Erkrankung tritt mit einer Lebenszeitprävalenz von einem Prozent auf. Männer und Frauen sind mit gleicher Häufigkeit betroffen, jedoch ist das Erkrankungsalter bei Männern niedrigern als bei Frauen.
Die Schizophrenie ist eine der komplexesten psychischen Erkrankungen, weil sie die komplette Wahrnehmung in Frage stellt. Die Patienten zeigen schwere Defizite im Denken und Verhalten. Essenzielle Bestandteile des Selbst wie Wahrnehmung und Bewusstsein sind gestört. Charakteristisch für diese Erkrankung ist das Auftreten von visuellen und auditiven Halluzinationen. Jedoch haben die Betroffenen keine gespaltene Persönlichkeit, wie es allgemein im Volksmund angenommen wird. Bis heute ist diese Erkrankung unheilbar und die derzeit eingesetzten Pharmaka haben lediglich eine unspezifische, dämpfende Wirkung.
Zum ersten Mal wurde diese Erkrankung von dem Psychiater Emil Kräplin diagnostisch charakterisiert und „Dementia praecox“ benannt. 1907 gab der Psychiater Bleuler dieser Erkrankung den heutigen Namen Schizophrenie (altgriechisch σχίζειν schizein „abspalten“ und φρήν phrēn „Zwerchfell, Seele). Vor allem in den letzten zwanzig Jahren ist sie Erforschung dieser Erkrankung weltweit eine Herausforderung an die neurowissenschaftlichen Forschung. Die Entstehung dieser Erkrankung ist noch unklar. Deutlich wird, dass vielfältige Systeme schwerwiegende Störungen aufweisen. Unspezifische Störungen können schon auf zellulärer Ebene festgestellt werden. Der Haushalt der Botenstoffe zwischen den Nerven ist verändert. Aber auch auf makroskopischer Ebene finden wir enorme Störungen. Funktionell finden wir Störungen auf einfacher sensorischer Ebene bis hin zu schweren Störungen der Wahrnehmung, die zu Halluzinationen und Denkstörungen führen. Der Pathomechanismus und der Auslöser dieser Erkrankung sind unklar. Diskutiert werden genetische Risikofaktoren und der Einfluss von Stressoren aus der Umwelt.
Das vorliegende Buch präsentiert eine gute Zusammenfassung aktuellster wissenschaftlicher Ergebnisse. Es eignet sich hervorragend für Kliniker, Wissenschaftler und Studenten, um einen Überblick über das Krankheitskonzept zu erhalten. Jedoch auch für interessierte Laien bietet sich das Buch sehr gut an. Den Autoren gelingt es den Leser zunächst an den aktuellen Stand der neurowissenschaftlichen Forschung heranzuführen. Die Grenzen der Bewusstseinsforschung werden auch aus philosophischer Sicht beleuchtet. Äußerst aktuelle Messmethoden werden allgemeinverständlich und anschaulich dargestellt. So kommen nicht nur klassische Methoden wie EEG, PET und MRT zur Sprache, sondern auch neue Methoden wie MEG und DTI werden mit ihren Möglichkeiten und Grenzen erläutert. Bei den Autoren handelt es sich um Spezialisten aus den unterschiedlichen Gebieten der Schizophrenieforschung, die es geschafft haben, ein Gesamtbild aus den verschiedensten Forschungsergebnissen zusammenzufügen.
Die Autoren erläutern die Schwierigkeiten und Kriterien in der Diagnosestellung. Der Verlauf der Erkrankung wird sehr anschaulich dargestellt. Entgegen der früheren Annahme, dass nur Menschen mittleren Alters an der Schizophrenie erkranken können, weiß man heute, dass sowohl Kinder als auch Menschen hohen Alters betroffen sein können. Die Autoren betonen den Unterschied zu anderen Psychosen, die unter anderem durch die verschiedensten Drogen ausgelöst werden. Eine Besonderheit dieses Buches ist die Darstellung der Grundlagen verschiedener kognitiver Systeme wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Sprache. Die Defizite der Betroffenen in diesen Bereichen werden ausführlich erläutert. Die komplexen Symptome, die Schizophrene in unterschiedlichen Schweregraden aufweisen, werden durch die Autoren kategorisiert und ausführlich erläutert. Ich-Störungen, Affektstörungen, Wahn und Katatonie werden beleuchtet. Fallbeispiele zur Illustration der Symptome werden jedoch nicht dargestellt. Im letzten Teil diskutieren die Autoren die aktuellen therapeutischen Ansätze mit ihren Möglichkeiten und Grenzen.
Dieses Buch eignet sich für jeden, der sich genauer mit der Schizophrenie auseinandersetzen will und zunächst einen zusammenhängenden Einblick benötigt. Die wichtigsten Fragestellungen werden abgedeckt und durch neueste wissenschaftliche Ergebnisse belegt.
Sharmili Sritharan
22.09.2008