Hörbücher
Fritz Bauer - klar , präzise und konsequent
Ganz eng mit den Frankfurter Auschwitzprozessen, die erst anno 1963 und damit 18 Jahre nach Kriegsende ermöglicht wurden und in denen bis dato unbehelligte Täter mit großer Verspätung ihrem gerechten Urteil zugeführt wurden, ist der Name Fritz Bauers verknüpft. Seit 1956 als hessischer Generalstaatsanwalt in Amt und Würden hatte er seinen Siegeszug für die Gerechtigkeit gegen alle Widerstände, die er erschreckenderweise erfahren musste, aufgenommen. Bauer war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die prosperierende Bundesrepublik endlich mit der Aufarbeitung ihrer Geschichte und insbesondere der Holocaust-Thematik begann und diese eine längst überfällige Entwicklung nehmen konnte. Gleichwohl Bauer den Stein ins Rollen brachte, sollte er das Ende der Prozesse und seine Verdienste für die Republik bei weitem nicht mehr erleben. Bauer starb kurz vor seinem 65. Geburtstag im Juli 1968 in seiner Frankfurter Wohnung.
Das Lebenswerk des Mannes, der 1903 das Licht der Welt erblickte, sich schon früh mit sozialdemokratischen Ideen auseinandersetzte und den Zweiten Weltkrieg als Exilant in Dänemark und Schweden überlebte, wird im vorliegenden Hörbuch "Fritz Bauer - Sein Leben, sein Denken, sein Wirken" wunderbar dokumentiert. Als Herausgeber des gut fünf Stunden dauernden Hörfeatures fungiert das gleichnamige Fritz Bauer Institut, das sich in Anerkennung von Bauers Wirken zur Aufgabe gemacht hat, die Geschichte und die Wirkung des Holocaust zu studieren und zu dokumentieren. Mit Burghart Klaußner konnte der perfekte Sprecher für dieses Hörbuch gewonnen werden. Schließlich hat der beliebte Schauspieler mit der prägnanten Stimme erst vor kurzem in dem Spielfilm "Der Staat gegen Fritz Bauer" den Hauptdarsteller höchstpersönlich gemimt. So verfestigen die vier CDs die Symbiose der historischen Person mit seinem schauspielerischen Alter Ego.
Klaußner führt den Hörer zunächst in die Vita Bauers ein, bis dann in der Folge originale Tonaufzeichnungen mit Fritz Bauer den Hauptteil ausmachen und der Sprecher nur noch die Überleitungen zwischen den einzelnen Themenblöcken vornimmt. Als Hörer hat man zu Beginn damit zu kämpfen, sich in den O-Ton des Protagonisten hineinzuhören. Es dauert einige Zeit, bis man sich an Bauers dozierenden Tonfall, seine prägnanten Betonungen, aber auch seine sporadisch und überflüssigerweise eingestreuten Konsonanten gewöhnt hat und sich auf das Gesagte konzentrieren kann. Denn das hat es wirklich in sich: Es erstaunt einen als vermeintlich modernen Bürger des 21. Jahrhunderts doch sehr, in welch progressiver Gedankenwelt sich ein hessischer Generalstaatsanwalt der Fünfziger und Sechziger bereits bewegte.
Bauers Bemühungen, Mittätern des KZ Auschwitz den Prozess zu machen, bilden eingangs den Aufhänger des vorliegenden Hörbuchs. Damit wird "Fritz Bauer - Sein Leben, sein Denken, sein Wirken" natürlich auch marketingtechnisch erfolgreich beworben. Doch liegt der Fokus dieser Tondokumente vielmehr in den Ausführungen zu Bauers Denkweise rund um viele Themen des Strafrechts und der Gesellschaft. Wenn Bauer über Schuld und Sühne, Resozialisierung von Straftätern und bitternotwendige Reformen zum Strafrecht parliert, dann hat man das Gefühl, dass ein Fritz Bauer im Hier und Jetzt Gold wert wäre. Mit seinem starken Vortrag überzeugt er den Hörer in den vielen vertont vorliegenden Themenstellungen. Eine Ausnahme bilden die Erzählungen aus seiner Vita und insbesondere rund um seine Odyssee während der dreißiger und vierziger Jahre, dort gerät selbst die Stimme des sonst so starken Mannes bisweilen ins Stocken.
"Fritz Bauer - Sein Leben, sein Denken, sein Wirken" bietet einen kurzweiligen Einblick in das Handeln und Denken eines intelligenten Mannes, der seiner Zeit definitiv voraus war, bedenkt man die Anfeindungen, die ihm beim Aufsetzen der Auschwitzprozesse entgegenschlugen. Des Weiteren liefert das Hörbuch einen wichtigen Beitrag zu hochaktuellen Themenstellungen, da das Wirken Fritz Bauers mit dessen Ableben beileibe nicht endete. Das vom Audio Verlag vertriebene Produkt enthält mit einem informativen Booklet noch ergänzendes Material bereit. Wenn ein Sach(hör)buch dazu anleitet, sich über darin angerissene Themen nach dessen Verzehr weiter zu informieren, dann haben die Produzenten alles richtig gemacht - so wie im vorliegenden Fall, wenn der Hörer im Nachgang den Verlauf der Auschwitzprozesse garantiert noch tiefergehend recherchieren wird.
Christoph Mahnel
27.03.2017