Hörbücher
Leben im Silo
Die Menschen leben in einem riesigen Silo, einem Ort unter der Erde mit über 100 Stockwerken. Dort arbeiten und verbringen sie ihr komplettes Leben. Gesellschaftliche Hierarchien ergeben sich durch die Stockwerke im Silo. Kontrolliert wird die gesamte Gesellschaft durch eine Elite im obersten Stockwerk, welches im Silo den einzigen Ausblick in die Außenwelt bietet. Die Luft außerhalb des Silos ist jedoch durch giftige Winde verseucht. Wer das Silo verlässt, muss folglich nach kurzer Zeit sterben.
Hugh Howey kann getrost als Gelegenheitsautor bezeichnet werden. Er arbeitete als Buchhändler und Dachdecker, baute Boote und verdingte sich als Skipper. Quasi nebenher schrieb er "Silo" als eine in mehreren Fortsetzungen im Internet erscheinende Erzählung, die nach ihrer Veröffentlichung im Jahre 2011 eine derart riesige Resonanz fand, dass Howey "Silo" als Roman auf den Markt bringen musste. Das Interessante bei diesem Entstehungsprozess ist dabei vor allem die Tatsache, dass der US-amerikanische Schriftsteller diesen Weg gänzlich ohne Verlag beschritt. Sollte "Silo" eines Tages vielleicht als Initialwerk einer neuen Epoche des Buches stehen?
Die Menschen im Silo sind in verschiedene Bereiche eingeteilt. So arbeiten sie entweder in den Werkstätten der Mechanik oder in den Hydrokulturgärten, wo der Essensanbau betrieben wird. Hauptperson in "Silo" ist Juliette Nichols, die als neuer Sheriff die Sicherheit im Silo zu gewährleisten hat. Im Silo herrschen strenge Regeln und Gesetze. Wer sich nicht daran hält, ist zur Reinigung verurteilt, sprich zum Tode. Denn wer zur Reinigung verdammt ist, muss die Linse des obersten Stockwerks von außen reinigen und wird in der hochgradig toxischen Außenwelt nicht überleben.
Ahnungslosigkeit beherrscht die Menschen im Silo. Gibt es eine Macht, die diese Ahnungslosigkeit beabsichtigt? Vor langer Zeit gab es Proteste und Aufstände gegen das herrschende System. Heute jedoch ziehen bereits das Sprechen über das Leben außerhalb des Silos oder das Infragestellen des Silos eine drakonische Strafe nach sich. Juliette stößt bei der Aufnahme ihrer Arbeit auf Akten und Unterlagen ihres Vorgängers Holston, die sie Wege beschreiten lässt, die zuvor noch niemand betreten hat, und sie etwas gelingen lässt, das vor ihr noch niemand geschafft hat.
"Silo" ist hochspannend, weil man auf die Idee hinter der Geschichte brennt. Man fragt sich beständig, worauf die Konstruktion der Geschichte hinausläuft. Da man die Informationen von Howey nur peu à peu zugeliefert bekommt, ist man begierig darauf zu verstehen, wie die Welt aussieht, die sich der Autor ausgedacht hat. Diese Neugier treibt einen zum ständigen Weiterhören an. Howey arbeitet geschickt mit wohldosierten Cliffhangern, die den Hörer vorwärts peitschen. Man hofft und bangt mit den Menschen im Silo, so dass man zugleich neugierig und ängstlich bezüglich dessen ist, was diesen Menschen bevorsteht.
Als Sprecher des vorliegenden Hörbuchs fungiert Peter Bieringer, den man als gebannter Hörer kaum wahrnimmt, was für einen Hörbuchsprecher als größtes Kompliment zu verstehen ist. Bieringer gelingt es nämlich, mit seiner geschmeidigen und angenehmen Stimme die Situation aus dem Silo eins zu eins zum Leser zu transportieren.
Da Dystopien im Zuge des Erfolgs von "Die Tribute von Panem" hoch im Kurs liegen, ist durchaus damit zu rechnen, dass "Silo" eine Fortsetzung finden wird. Das gedankliche Konstrukt rund um das Silo scheint bei weitem noch nicht ausgeschöpft zu sein. Dass "Silo" den richtigen Nerv getroffen hat, zeigt die aktuelle Situation um eine mögliche Verfilmung des Stoffs. Diesbezüglich hat sich nämlich kein Geringerer als Ridley Scott gemeldet, um die Geschichte aus dem Silo auf die Leinwand zu bringen.
Christoph Mahnel
15.04.2013