Hörbücher

Herzschmerz mit Klufti

Einst fanden sich ein Realschullehrer für Deutsch und Französisch sowie ein Kulturredakteur der Memminger Zeitung zusammen, um einen Allgäuer Kriminalkommissar zum Leben zu erwecken. Mittlerweile sind dessen Fälle multi-millionenfach über die Tresen der Buchläden, einschließlich der virtuellen, gewandert. Die Rede ist natürlich von Kommissar Kluftinger aus Altusried, der von seinen Anhängern liebevoll Klufti genannt wird. In diesem Frühjahr ist nun aus der Feder von Volker Klüpfel und Michael Kobr mit "Herzblut" der siebte Kriminalroman mit dem kultigen Kommissar erschienen und hat sofort die hiesigen Bestsellerlisten erobert.

Alles beginnt mit einem Mord an einem Taxifahrer in Buchloe, dem mitten ins Herz geschossen wurde. Kluftinger und sein Team übernehmen umgehend die Bearbeitung dieses Falls. Allerdings ist dies erst der Beginn einer brutalen Mordserie, die die Beschaulichkeit des Allgäus erschüttert. Während der Ermittlungen gibt es darüber hinaus eine sehr intensive persönliche Entwicklung, nämlich zulasten Kluftingers eigener Gesundheit. Ein wiederkehrendes Herzstechen beschäftigt ihn mehr, als Kluftinger zugeben möchte. Jedoch vermutet er selbst gar insgeheim einen Herzinfarkt. Die Morde haben passend zum Titel und zu Kluftingers Leiden allesamt einen Bezug zum Herzen, mal trifft es einen Herzchirurgen, mal trifft die Kugel direkt ins Herz. Dies wird von Kluftinger natürlich sehr persönlich reflektiert und bisweilen auch überinterpretiert.

Der Erfolg der Kluftinger-Bücher ist die eine Seite der Erfolgsmedaille, der der Hörbücher eine gänzlich andere. Volker Klüpfel und Michael Kobr haben die Lesung ihrer Romane stets zur Chefsache auserkoren. So wie sie die Bücher gemeinsam schreiben, lesen die beiden sie auch im Wechselspiel. Während Kobr den Part des Kommissars übernimmt, zeigt sich Klüpfel zuständig für Kluftis Intimfeind Dr. Langhammer. Die Lesung von "Herzblut" wartet darüber hinaus noch mit zwei Neuerungen auf. Erstmalig erscheint ein Klufti-Roman als ungekürzte Lesung. Für das rund 400 Seiten umfassende Buch benötigten die beiden Autoren knapp elf Stunden und 10 CDs. Ein weiteres Novum ist das Engagement eines dritten Sprechers, der Erzählerstimme durch Christian Baumann, der sich die neutralen Abschnitte vorgenommen hat und dabei versucht, den emotionslosen Gegensatz zu mimen und den Puffer zwischen den humoristischen Bestandteilen zu bilden.

Die vorliegende Hörbuch-Box sollte eigentlich mit einem Warnhinweis versehen sein: "Achtung, Lachgefahr!" Es kann einem nämlich durchaus passieren, dass man von Mitmenschen oder anderen Autofahrern aus dem Rückspiegel heraus verwundert betrachtet wird, wenn man ins Hörbuch vertieft von den Pointen der beiden Autoren zum Lachen genötigt wird. Da wären neben der speziellen bayrischen Intonation vor allem die ureigenen Ausdrücke Kluftingers, die ihn fluchen lassen, ohne dass es jemals auch nur annähernd vulgär klingen würde. Das Gesamtpaket Kluftinger als ein nicht ganz ernstzunehmender Kriminalroman, der zuvorderst mit intelligentem Witz brilliert, stimmt voll und ganz. "Herzblut" setzt hierbei selbst für die Kluftinger-Reihe neue Maßstäbe: Der Generationenkonflikt mit seinem Sohn Markus und dessen japanischer Freundin wird weitergeführt und findet einen brillanten Höhepunkt in dem Skype-Versuch Kluftingers mit dem potentiellen Schwiegervater seines Sohnes.

Man kann als Hörer nur erahnen, welchen Spaß die Sprecher bei der Aufnahme ihrer Lesung haben müssen. Dies führt soweit, dass Klüpfel und Kobr mittlerweile sogar auf Tour gehen und bei ihren Lesungen wie Filmstars gefeiert werden. Ganz ohne Zweifel: Die Kluftinger-Lesungen mit Klüpfel und Kobr sind ein kleines Happening. Wer Respekt vor einer Lesung von knapp elf Stunden hat, dem sei versichert, dass dank der gelungenen humoristischen Attacken Kluftingers und der wunderbaren und herzlichen Interpretation der beiden Autoren dieser halbe Tag wahrhaft im Fluge vergeht.

Während Kluftinger ob seiner Herzschmerzen sein ganzes Leben bzw. zumindest seinen Lebensstil überdenkt und in Frage stellt, sollten Klüpfel und Kobr keinen einzigen Gedanken daran verschwenden, von ihrem Erfolgspfad abzuweichen. "Herzblut" markiert eine der imposantesten deutschen Neuerscheinungen im Jahre 2013. Der ehemalige Realschullehrer und der Lokalredakteur haben den Kult mit dem schrulligen und höchst individuellen Kommissar aus Altusried mittlerweile in Höhen getrieben, die ihnen noch vor zehn Jahren, als sie ihren ersten Roman "Milchgeld" veröffentlichten, wahrscheinlich selbst unmöglich erschienen. Sie haben mit Kluftinger ein Flaggschiff für das Alpenvorland geschaffen, der dort eine Bedeutung erlangt hat, die sich nur mit Wallander und Ystad vergleichen lässt. Hüben wie drüben gibt es regelmäßige Stadtführungen auf den Spuren der Kultkommissare. Dass dies in absehbarer Zeit kein Ende finden wird, ist bei einer Fortführung der Serie so sicher wie das Amen in der Kirche.

Christoph Mahnel
08.04.2013

 
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Das Buch:

Volker Klüpfel, Michael Kobr: Herzblut. Kluftingers neuer Fall

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Sprecher: Volker Klüpfel, Michael Kobr, Christian Baumann
Hamburg: Osterwold Verlag 2013
Spielzeit: 648 Min., € 29,99
ISBN: 978-3-86952-151-0

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