Hörbücher
Die Weiße Rose en miniature
Berlin im Jahre 1940: W?hrend man in Deutschland die Erfolge der milit?rischen Offensive gegen Frankreich feiert, ereilt das Ehepaar Otto und Anna Quangel die Nachricht vom Tode ihres einzigen Sohnes, der im unsinnigen Kampf f?r das Vaterland sein Leben gelassen hat. Der schweigsame und rechtschaffene Vater sowie die gehorsame und untergebene Mutter haben ihre sehr individuellen Wege, mit dem Schmerz des Verlustes umzugehen. Doch gemeinsam w?chst in ihnen die Idee des Widerstandes als eine ganz pers?nliche Form, ihre Verachtung gegen?ber dem herrschenden Regime und dem Krieg zum Ausdruck zu bringen.
Hans Fallada, mit b?rgerlichem Namen Rudolf Ditzen, hat den vorliegenden Roman im Jahre 1946 innerhalb eines einzigen Monats geschrieben. Eile hierf?r war angebracht, denn nur drei Monate sp?ter erlag er einem Herzversagen. Urspr?nglich war "Jeder stirbt f?r sich alleine" im Jahre 1947 in einer gek?rzten und redaktionell bearbeiteten Version erschienen. Die vorliegende Ausgabe beinhaltet erstmals eine ungek?rzte Version und wurde auf Anhieb ein Bestseller nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen europ?ischen L?ndern und den USA.
Der Widerstand der Quangels basiert auf dem wahren Fall des Ehepaars Elise und Otto Hampel, die ihrerseits wie auch die fiktiven Quangels in Berlin viele Hunderte von Postkarten mit regimefeindlichen ?u?erungen an verschiedenen Orten in der Hauptstadt abgelegt hatten. Dabei kam es sowohl in der Realit?t als auch im Roman irgendwann nach einigen Jahren zu dem Moment der Unachtsamkeit, in dem der Widerstand sein j?hes Ende fand.
Ulrich Noethens Lesung der Passagen von der Gerichtsverhandlung unter Vorsitz des Richters Feisler packt den H?rer emotional am Schlafittchen. Abneigung, ja sogar Hass auf den angeblichen Rechtssprecher und das dahinterstehende Regime kann kein H?rer leugnen. Fallada hat es sich dabei nicht nehmen lassen, mit dem Richter Feisler im Roman eine offensichtliche Anspielung auf Roland Freisler, den h?chsten Richter des NS-Staates, einzubringen. Letzter hielt ja auch, wie der geschichtskundige H?rer sofort aufmerken wird, den Vorsitz im Prozess gegen die Anf?hrer der Widerstandsgruppe Wei?e Rose. ?berhaupt erinnert "Jeder stirbt f?r sich alleine" stark an die Flugblattaktionen der M?nchener Gruppe um Hans und Sophie Scholl, obgleich die Quangels eher einer Miniatur der Wei?en Rose gleichkommen.
"Jeder stirbt f?r sich alleine" ist ein ganz besonderes und neuartiges Werk, zeigt es doch den Widerstand der Bev?lkerung im Kleinen, der so bis dato kaum bekannt noch literarisch thematisiert worden ist. Dies scheint auch der Grund f?r den gro?en weltweiten Erfolg dieser Neuauflage aus der Feder des Mannes zu sein, dessen Name meist mit seinem bekanntesten Werk "Kleiner Mann - was nun?" in Zusammenhang gebracht wird. In vielen L?ndern scheint man dieser Tage ?berrascht und zugleich begeistert ?ber das Verhalten von Otto und Anna Quangel zu sein.
Doch "Jeder stirbt f?r sich alleine" ist mehr als nur eine kleine Variante der Wei?en Rose oder ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Quangels und der Gestapo. Durch weitere Handlungsstr?nge und Personen, die einen engen Bezug zu den Quangels haben, wird ein Bild mitten aus der deutschen Gesellschaft, der Schicht des kleinen Mannes geschaffen, das einen betroffen macht, aber auch Hoffnung gibt, dass der Mensch trotz seiner augenscheinlichen Schlechtigkeit am Ende immer noch eine positive Bilanz an Eigenschaften aufweist. "Jeder stirbt f?r sich alleine" ist kein Werk, das einen ausschlie?lichen Bezug auf den Zweiten Weltkrieg hat. Nein, s?mtliche handelnden Personen k?nnten in viele menschenverachtende Diktaturen aus Vergangenheit und Gegenwart transportiert werden, ohne dass die Geschichte an Authentizit?t verlieren w?rde. Trotz seiner mehr als sechzig Jahre auf dem Buckel ist "Jeder stirbt f?r sich alleine" wahrlich ein hochaktuelles Werk.
Christoph Mahnel
08.08.2011