Hörbücher
Brochs Roman-Trilogie ist aktuell wie ehedem
Der ?sterreichische Schriftsteller Hermann Broch ist auch 60 Jahre nach seinem Tod eine feste Gr??e in der Literatur, denn mit seinen Werken f?hrt er der (Nach-)Welt vor, wie eine Zukunft in der Gegenwart aussehen k?nnte. Seine Trilogie "Die Schlafwandler" - hier in einer herausragenden H?rspielbearbeitung vorliegend - greift Themen auf, die bis heute Geltung haben: den Zerfall der Werte und Pers?nlichkeit in Form eines Religions- und Sinnverlust der modernen Gesellschaft. W?hrend einer Dauer von elf Stunden erlebt man verschiedenste Zeiten, die man an der Seite der drei Figuren Pasenow, Esch und Huguenau durchschreitet und an denen man hautnah teilnimmt.
Es sind die Jahre 1888, 1903 und 1913, in denen Leutnant Joachim von Pasenow, der entlassene Buchhalter Esch und Deserteur Wilhelm Huguenau ihren Kampf durchzustehen haben. Erotische Am?sements, Anarchie und der Verlust der Ordnung hin zu einer Amoral sind kennzeichnend f?r eine Gesellschaft, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte kaum etwas dazugelernt hat. So scheint es jedenfalls, wenn man "Die Schlafwandler" mit heutigen Zust?nden vergleicht. Es geht um den Wandel der Gesellschaft in der Wilhelminischen ?ra, als der Erste Weltkrieg den Globus mit einem dunklen Schatten ?berzog.
Hermann Broch hat eine Trilogie geschaffen, die dem Leser den Atem stocken l?sst - und zwar nicht nur wegen der dramatischen Handlung, die sich in den Stimmen von Hanns Zischler, Werner W?lbern, J?rgen Hentsch, Jens Harzer und Manfred Zapatka gekonnt widerspiegelt, sondern auch wegen des starken Realit?tsbezugs, der sich in frappierende Parallelen zu unseren Tagen zeigt. Angesichts der Wirtschaftskrise, dem Werteverfall und dem Kulturwandel wird dem Rezipienten hier deutlich gemacht, dass es trotzdem immer einen Ausweg, eine Art Hintert?rchen gibt. Man muss nur etwas tun, um eine Ver?nderung zu bewirken.
Hermann Brochs Trilogie "Die Schlafwandler" ist gehobene Literatur und zugleich ein H?rbuch im Bestsellerformat. Der Grund daf?r sind einerseits die bildhafte Sprache des ?sterreichischen Autors, andererseits das au?ergew?hnliche Sprecherensemble, das sich gegenseitig die B?lle wie bei einem Spiel zuwirft. Dabei klingt diese facettenreiche Inszenierung wie eine Theologie, dank derer man wieder zu sich selbst finden kann. W?hrend einer Gesamtlaufzeit von 660 Minuten bekommt man hiermit keine leichte Kost vorgesetzt, daf?r aber eine exzellent gelungene, die man bis zum Schluss genie?en sollte. Auch wenn "Die Schlafwandler" nicht f?r jedermanns Ohren bestimmt ist, so werden die wenigen von ihnen erkennen, dass man auch im Jahre 1930 zu schreiben wusste. Hermann Broch ist der Beweis daf?r.
Susann Fleischer
06.06.2011