Hörbücher
Eine kurzweilige Sammlung kurzer Grishams
Einen Roman mit dem Titel "Das Gesetz" wird wohl jeder Thriller- und Krimifan ohne weiteres Nachfragen John Grisham zuordnen. Schlie?lich folgt der Titel aus bestimmtem Artikel und einem meist justizbezogenen Substantiv konsequent der hinl?nglich bekannten Namenskonvention f?r die Romane des ehemaligen Anwalts und Erfolgsautoren aus den USA. Wer aber einen weiteren Roman ? la "Die Jury", "Die Firma", "Das Urteil" oder "Die Kammer" erwartet, wird ?berrascht werden: "Das Gesetz" - im englischsprachigen Original als "Ford County Stories" betitelt - ist eine Sammlung von Kurzgeschichten und somit ein Novum in der langen Erfolgsbibliographie Grishams. Mit ein wenig Skepsis zu Beginn wird sich der Grisham-Kenner diesem Werk somit ann?hern, entt?uscht wird er - ohne zuviel vorwegzunehmen - allerdings nicht werden.
W?hrend die Print-Ausgabe von "Das Gesetz" insgesamt sieben Kurzgeschichten umfasst, ist auf dem vorliegenden H?rbuch eine Auswahl von drei Episoden getroffen worden: "Raymonds Heimkehr", "Die Fischakten" und "Michael". Insbesondere "Raymonds Heimkehr" ist eine sehr bewegende Geschichte, die der Form der Kurzgeschichte alle Ehre macht: Inez Graney befindet sich mit ihren beiden S?hnen auf dem Weg in die Justizvollzugsanstalt Parchment, wo ihr j?ngster Sohn Raymond im Todestrakt sitzt und um Mitternacht hingerichtet werden soll. Die ganze Geschichte umfasst den Zeitraum einer einzigen Nacht, in der die verschiedenen Charaktere der drei Br?der ein letztes Mal aufeinander treffen und prallen. Grisham packt den H?rer und l?sst ihn dieser Szenerie mit erschreckender N?he beiwohnen. Dies verdankt das vorliegende H?rbuch zu gro?en Teilen auch der Lesung durch Charles Brauer, dem Haus- und Hofsprecher der deutschen Grisham-Vertonungen. Die sonore Stimme des ehemaligen Hamburger Tatort-Kommissars verleiht den Geschichten die angemessene Ernsthaftigkeit.
Als Fischakten bezeichnen Juristen diejenigen F?lle, die aufgrund l?ngeren Aufschubs allm?hlich vor sich hinschimmeln und zu stinken beginnen. Eine solche Fischakte mutiert f?r den Anwalt Mack Stafford zum gro?en Lotteriegewinn. Ein Anruf aus New York in Staffords kleiner Kanzlei tritt in dessen Gedankenwelt eine Lawine der ganz besonderen Art los, die ihm dabei behilflich ist, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen. Der kleine "Michael" ist bei seiner Geburt einem Kunstfehler zum Opfer gefallen und seither ein Pflegefall. Der ehrgeizige Anwalt, der einst im Prozess gegen den zust?ndigen Arzt den totalen Konfrontationskurs gegen die Schadensersatzklage von Michaels Eltern gefahren hatte, muss nun in einem Tribunal der Selbstjustiz seine Fehler und L?gen von damals eingestehen.
John Grisham hat seine Kurzgeschichten in das fiktive Ford County verlegt, wo bereits der Plot seines ersten Romans "Die Jury" angesiedelt war. Man sp?rt richtiggehend, wie sehr Grisham dieser Schlag Kleinstadt-menschen tief im S?den der Vereinigten Staaten am Herzen liegt. "Das Gesetz" ist letztlich ein sehr pers?nliches Buch Grishams und eine Liebeserkl?rung an die Menschen in dieser Gegend, obgleich sie mit der Kleinstadt Clanton und dem Landkreis Ford County lediglich in der Fiktion existiert.
Grisham hat mit "Das Gesetz" bewiesen, dass er nicht nur den breit angelegten Justizthriller meisterhaft beherrscht, sondern auch in der kleinen Form die leisen T?nen gekonnt anzustimmen vermag. Als K?ufer des H?rbuchs ist jedoch zu bedauern, dass die Auswahl der Kurzgeschichten mit 3 aus 7 recht sp?rlich ausgefallen ist, da die Aufnahmef?higkeit und der Hunger des H?rers nach mehr damit sicherlich noch nicht gestillt sind. Laut eigener Aussage scheint Grishams Abstecher in die Welt der Kurzgeschichten zun?chst aber einmal die Ausnahme gewesen zu sein, so ist sein n?chster Roman bereits weit fortgeschritten und der geplante Titel der deutschen Ausgabe wenig ?berraschend: "Das Gest?ndnis".
Christoph Mahnel
04.10.2010