Hörbücher

"Ein Liebesverhältnis": Thomas Manns "Wunschkonzert" als Hörbuch

Thomas Manns Verhältnis zur Musik war nach seinen eigenen Worten immer ein Liebesverhältnis. So war es naheliegend, dass ein Musikredakteur einmal die Idee hatte, den Literaturnobelpreisträger für eine Radiosendung ein eigenes "Wunschkonzert" seiner Lieblingsmusik zusammenstellen zu lassen. Der einstündige Mitschnitt dieser Produktion für die Sendereihe "Wer wünscht was?" des damaligen Süddeutschen Rundfunks (heute Südwestrundfunk) aus dem Jahr 1954 ist jetzt als CD "Thomas Mann - Mein Wunschkonzert" erschienen.

Die bemerkenswerte Zusammenstellung vom Jahr vor dem Tod des Schriftstellers enthält Musik von Richard Wagner, Ludwig van Beethoven, Claude Debussy, Franz Schubert und Robert Schumann. Ergänzt wird sie von Manns eigenen Kommentaren und Lesungen aus passenden Kapiteln seiner Romane.

An erster Stelle steht das Vorspiel aus Wagners romantischer Oper "Lohengrin" (eine Neuinszenierung von Hans Neuenfels ist in diesem Jahr Mittelpunkt der Bayreuther Festspiele), gespielt vom Tonhalle Orchester Zürich unter der Leitung von Hans Knappertsbusch aus dem Jahr 1947. Mann knüpfte an diese Musik ganz frühe Jugenderinnerungen aus dem Lübecker Stadttheater, "die mir mein ganzes Leben nachgewirkt haben, das habe ich nie vergessen", wie er betonte. Das "Lohengrin"-Vorspiel sei der Gipfel der Romantik, Richard Strauss habe es unüberbietbar genannt.

Aber auch das deutsche Lied durfte in der Auswahl des "großen Romantikers und Träumers Thomas Mann" nicht fehlen, hier vertreten vor allem mit Partien aus Franz Schuberts "Winterreise", gesungen vom Bariton Heinrich Schlusnus. Für Mann war die Geschichte des deutschen Liedes "eine ganze Kultur, unvergleichlich, es gibt sie bei keiner anderen Nation". Schuberts "Winterreise" sei der schönste Liederzyklus der Welt. Zu hören sind auch Claude Debussys "Prelude à l'après-midi d'un faune" ("Nachmittag eines Fauns") in einer Aufnahme mit Arturo Toscanini von 1953 und zum Abschluss Beethovens 3. Leonoren-Ouvertüre, gespielt von den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Bruno Walter aus dem Jahr 1936.

Der Autor der "Buddenbrooks" und des "Zauberbergs" weist darauf hin, dass er über dieses "großartige Stück Musik" auch in seinem Roman "Doktor Faustus" geschrieben habe und zitiert unter anderem daraus: "Das ist ein vollkommenes Musikstück ... Wo kommt denn sowas im Weltall noch einmal vor. Solche Musik ist die Tatkraft an sich, die Tatkraft selbst."

Von den Musikbeispielen gibt es heute sicherlich technisch ausgfeiltere, aber sie sind ein Dokument und Zeugnis der "authentischen" Musikstücke, die im Hause des Nobelpreisträgers abends öfter per "Grammophon" und Schellack-Schallplatten zu hören waren, später aber auch per Radio-Konzertübertragungen aus Mailand, Rom, Salzburg oder London. Über den "Lohengrin" aus Bayreuth notierte Mann 1936: "Die Vorstellung, dass dieser idiotische Schurke von Hitler da süß-heldische Romantik ´genießt`, während sozialistische Arbeiter gefoltert werden ... - über die Maßen ekelhaft."

Für den September kündigt der Hörverlag eine Hörbuchkassette mit zwölf CDs (Spielzeit: 830 Minuten) mit einer Lesung der Tagebücher Thomas Manns 1918-1955 an, gelesen von Schauspieler Hanns Zischler.

Wilfried Mommert, dpa
19.07.2010

 
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Das Buch:

Thomas Mann: Mein Wunschkonzert - Thomas Mann spricht über Musik, die er gern hört

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Sprecher: Thomas Mann
München: Der Hörverlag 2010
Spielzeit: 57 Min., € 14,95
ISBN: 978-3-86717-564-7

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