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Auf der Suche nach der Allheilformel

Nicht nur Berlin steht in Flammen. Die ganze Welt ist in Aufruhr, die Auswirkungen der neuesten globalen Wirtschaftskrise sind verheerend. Die Menschen sind erzürnt ob der Gier weniger Reicher, immer noch reicher werden zu wollen. Sie ziehen auf die Straßen, protestieren und demonstrieren. Am Rande eines Sondergipfels in der deutschen Hauptstadt herrscht das pure Chaos, Autos stehen in Flammen, die Anarchie ist dabei, die Oberhand zu gewinnen. Herbert Thompson, Ökonom und Nobelpreisträger, scheint die Antwort auf alle Fragen zu haben. Angeblich hat er eine Formel entwickelt, die Wohlstand für alle zulässt. In Berlin erwartet man gespannt seine Rede, die er aufgrund eines schweren Autounfalls jedoch nie halten wird.

Zusammen mit seinem Assistenten Will Cantor verunglückt er mitten in Berlin schwer. Der junge Pfleger Jan Wutte ist auf dem Nachhauseweg von der Arbeit und beobachtet den Unfall. Rasch begibt er sich zum Auto, findet einen Toten und versucht sich daran, den noch lebenden Insassen zu retten. Dieser haucht ihm noch einige Namen zu, bevor ein paar Männer zum Wrack eilen und dem Sterbenden auf ihre Art Sterbehilfe erteilen. Jan ist völlig perplex, zumal die umstehende Polizei ihn verdächtigt, das Unfallopfer getötet zu haben. Er tritt die Flucht an und ist fortan gejagt von der Polizei und den Häschern des Nobelpreisträgers, die in Jan eine Gefahr sehen. Es gelingt Wutte trotz der ihm nach dem Leben trachtenden Schatten, zwei Personen auszumachen, deren Namen der Verstorbene kurz vor seinem Ableben genannt hatte. Und tatsächlich scheinen Thompson und sein Assistent eine Entdeckung gemacht zu haben, deren Folgen für Wirtschaft und Menschheit nicht abzuschätzen wären. Kein Wunder, dass es Interessen gibt, die diese Formel auch um den Preis einiger Menschenleben unter Verschluss halten möchten.

"Gier" lautet der naheliegende Titel des neuesten Bestsellers von Marcus Rafelsberger, sein mittlerweile achtes Buch, obgleich er den Durchbruch als Autor erst nach seinen ersten vier Büchern erlangte und dem Tag, als er von seinem bürgerlichen Namen die letzten beiden Buchstaben des Vornamens sowie vom Nachnamen vorne drei und hinten zwei Buchstaben abschnitt. Seitdem firmiert er unter Marc Elsberg und eilt von einem Bestseller zum nächsten: "Blackout" wurde nach Erscheinen anno 2012 als Thriller und Wissensbuch gleichermaßen gefeiert. In "Zero" nahm sich der ehemalige Strategieberater und Kreativdirektor den Auswirkungen von Big Data und Datenschutz an, nach "Helix" und der Genetik nun schließlich "Gier" und die Spieltheorie in der Ökonomie.

Parallel zur Buchausgabe hat Random House mit seiner Audio-Sparte auch für eine vertonte Ausgabe gesorgt. Die gekürzte Lesung umfasst knapp 500 Minuten auf zwei mp3-CDs. Dietmar Wunder leistet als Sprecher einen ganz hervorragenden Job und bringt Spannung in eine Geschichte, die manches Mal ein wenig an den Haaren herbeigezogen wirkt. Bei der gehetzten Verfolgungsjagd in Real-Geschwindigkeit durch Berlin fühlt man sich an die eine oder andere Hausproduktion von Sat.1 oder ProSieben erinnert. Elsberg versucht mit kurzen stakkatoartigen Sätzen die Taktung auf Hochtouren laufen zu lassen, doch wenn sich der Wagen des Nobelpreisträgers urplötzlich in die Höhe schraubt, fragt man sich schon, ob gleich "Cobra 11" um die Ecke biegen und den Fall höchstpersönlich übernehmen wird. Auch lässt die Frequenz der Handlung scheinbar keinen Freiraum zu, um persönliche Motive und Handlungsweisen herauszuarbeiten. So überrascht beispielsweise der plötzliche Gesinnungswechsel der Gespielin des milliardenschweren Investors nach einem kurzen Frühstück doch sehr.

Man ist halt arg verwöhnt worden bei den bisherigen Romanen von Marc Elsberg, der sich mit seinen genialen Ideen und der meist gelungenen Einbettung in rasante und spannende Rahmenhandlungen in kürzester Zeit einen Namen auf dem deutschen Büchermarkt gemacht hat. Doch leider bleiben bei "Gier" vielen Fragezeichen zurück und ein tatsächlicher "Wow"-Effekt wie in Elsbergs Vorgängerromanen will sich nicht einstellen. Da hilft es bei der Hörbuchausgabe auch nicht, dass diese mit einem umfangreichen Booklet daherkommt, in dem sich sämtliche Zeichnungen aus der Buchausgabe befinden, die die zentrale Bauernparabel von Thompson und Cantor illustrieren. Als versöhnlicher Hörer respektive Leser sollte man "Gier" abhaken und angesichts des mutmaßlich hohen Produktionsdrucks, der Erfolgsautoren implizit wie explizit auferlegt wird, darauf hoffen, dass Elsberg in seinem nächsten Werk wieder einen raushauen wird. Dass er es kann, hat er schließlich schon eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Christoph Mahnel 
23.04.2019

 
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Das Buch:

Marc Elsberg: Gier - Wie weit würdest du gehen?

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Sprecher: Dietmar Wunder München: Random House Audio 2019 Spielzeit: 498 Min., € 24,00 ISBN: 978-3-8371-4585-9

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