Hörbücher
Mehr als nur Tabletten und OPs
Funktioniert der Körper nicht mehr so, wie er sollte oder wie man es gewohnt ist, ist für die meisten von uns ein Gang zum Arzt, der dann entweder Medikamente verschreibt, eine Therapie verordnet oder sogar einen chirurgischen Eingriff als notwendig erachtet, die übliche Konsequenz. Mal schlagen die Medikamente an, mal nicht; mal verschafft eine OP Erleichterung, mal hilft die Physiotherapie. Doch gerade für chronisch Kranke erweist sich der Weg zur Genesung bzw. zu mehr Wohlbefinden oft als Spießrutenlauf von Arzt zu Arzt.
Der amerikanische Arzt Wayne Jonas hat nun die These aufgestellt, dass nur ca. 20 Prozent der Heilung auf Therapien beruhen und 80 Prozent aus uns selbst kommen bzw. von der Umgebung, unseren sozialen Kontakten und dem Verständnis für die Krankheit abhängen. Ganz abwegig erscheint dies selbst dem Laien schon zu Beginn des Hörbuchs nicht, denn wie sollte man sich sonst die in zahlreichen Studien bewiesene Wirkung von Placebos erklären?
Im Laufe des Hörbuchs, das eine gekürzte, autorisierte Lesefassung des Buchs "Heilung geschieht von selbst" ist, erläutert Jonas seine These anhand von Beispielen aus seiner 40-jährigen Erfahrung als Familienarzt, pensionierter Armeearzt und Forscher auf dem Gebiet der komplementären und ganzheitlichen Medizin. Eines seiner ersten Beispiele ist die 79-jährige Norma, die an Arthritis leidet und aufgrund der Schmerzen ihre ehrenamtliche Tätigkeit im Krankenhaus aufgeben muss, die ihr immer sehr viel bedeutet hat. Jonas lässt sie an einem Programm teilnehmen, bei dem Arthritis-Patienten sowohl ein Vitaminpräparat verabreicht wird, von dem man sich bei Arthritis gute Heilungschancen erhofft, wie auch ein Placebo.
Norma erfährt innerhalb weniger Wochen Besserung, hat weniger Schmerzen und kann die ihr so wichtige Arbeit im Krankenhaus wieder aufnehmen. Selbst als sich später herausstellt, dass sie zu den Placebo-Patienten zählte, ändert sich nichts an ihrer guten Verfassung. Jonas, der zu diesem Zeitpunkt noch weit entfernt ist von ganzheitlicher Forschung und sich bisher nur auf die Schulmedizin und das Verordnen von Therapien verlassen hat, beginnt neugierig zu werden und will wissen, wie sich dieser Effekt ausweiten und auf andere Bereiche übertragen lassen kann.
Jonas entwickelt das HOPE-Konzept (Healing Oriented Practices & Environments), das entgegen der bloßen Feststellung eines Symptoms und der Behandlung dessen den ganzen Menschen, seine Lebensumstände und das, was ihm wichtig ist, miteinbezieht. Faktoren sind dabei z.B. das Zuhause des Patienten, die Menschen, die ihm wichtig sind, und sein Beruf. Dabei obliegt es dem Arzt herauszufinden, was dem Patienten wichtig ist, worüber er sich freut, worauf er stolz ist, ob er einen Rückzugsort hat und genügend Schlaf bekommt. Essentiell ist außerdem, dass bei dem Patienten eine sinnstiftende Reaktion ausgelöst wird, also die Überlegung, warum er gesund werden will und wie er sich gerne fühlen möchte. Rituale wie das Einnehmen von Medikamenten oder das Setzen von Akupunkturnadeln sind dann die Auslöser, die bei dem Patienten die Selbstheilungskräfte in Gang setzen - und das in regelmäßigen Abständen.
Am Ende des Hörbuchs gibt Jonas Tipps, wie man selbst den Weg zur Heilung beschreiten kann. Nicht immer ist dafür auch ein Arzt nötig. Vieles davon können wir selbst in die Wege leiten. Ist man jedoch auf ärztliche Hilfe angewiesen, z.B. weil ein chirurgischer Eingriff nötig ist, dann rät Jonas, sich einen Arzt auszusuchen, der bereit ist, mit einem den Weg des HOPE-Konzeptes zu gehen.
Jonas' Buch ist auch für Medizinlaien leicht zu verstehen und wird all diejenigen erfreuen, die für sich selbst schon erkannt haben, dass die Schmerztabletten alleine nicht die Lösung sein können und dass der aktuelle Medizinbetrieb nicht auf Heilung der Menschen aus ist, sondern lediglich ein wirtschaftliches Interesse an den Patienten hat. Ganzheitliche Medizin würde nicht nur viel mehr Menschen Heilung und Linderung verschaffen, sondern auch die Kassen der Medizin- und Pharmaindustrie nicht mehr in dem Maße füllen, wie die symptombehandelnde Schulmedizin dies derzeit tut. Noch dazu verlangt das HOPE-Konzept von Jonas auch eine weitaus zeitintensivere und persönlichere Beschäftigung des Arztes mit seinen Patienten. Undenkbar in der heutigen Situation, in der Patienten in vielen Praxen im Zehn-Minuten-Takt durchgereicht werden.
Was "Heilung geschieht von selbst" so glaubwürdig macht, ist, dass Jonas zunächst auch als gewöhnlicher Schulmediziner begonnen hat und seine Patienten auf Symptome hin behandelt hat. Wer jedoch wie er einmal genauer hinsieht, merkt irgendwann, dass da mehr sein muss als das, was man derzeit im Medizinstudium vermittelt bekommt. Sachlich und dennoch auch unterhaltsam vorgetragen von Andreas Neumann, bestätigt Jonas' (Hör-)Buch, was viele Patienten schon immer geahnt haben und was viele Mediziner noch lernen müssen: Eine verordnete Therapie alleine heilt einen Menschen noch nicht.
Sabine Mahnel
01.04.2019