Hörbücher

Vom Scheitern der Appeasement-Politik

Knapp ein Jahr vor dem tatsächlichen Ausbruch des Zweiten Weltkriegs taumelte der europäische Kontinent bereits Ende September 1938 aufgrund des Konflikts in der Sudetenfrage sehr bedenklich. Hitler hatte hinsichtlich der Räumung und des Anschlusses des tschechoslowakischen Sudetengebiets ein Ultimatum gestellt, dem die britischen und französischen Politiker mit ihrer Appeasement-Politik entgegentraten. In der Absicht, unbedingt einen Krieg vermeiden zu wollen, war insbesondere der britische Premierminister Neville Chamberlain bereit gewesen, Hitler zu viele Zugeständnisse zu machen. Kurzzeitig wurden dies als diplomatisches Geschick und er als Friedensbewahrer gefeiert. Doch die Geschichte hat ex post gelehrt, dass das im Zuge dessen getroffene Münchener Abkommen den großen Knall nur aufschieben, aber nicht verhindern konnte.

Die diplomatischen Ränkespiele und die Verhandlungstage vor Ort in München bilden den historischen Hintergrund für den neuesten Roman von Robert Harris. Schlicht und einfach "München" lautet der Titel des mittlerweile zwölften Romans des ehemaligen BBC-Reporters. Nach "Vaterland" und "Enigma" hat Harris nun schon zum wiederholten Male die deutsche Geschichte zur Zeit des Nationalsozialismus bzw. des Zweiten Weltkriegs thematisiert. War "Vaterland" noch ein völlig fiktives Gebilde, das die Folgen eines deutschen Sieges im Zweiten Weltkrieg gesponnen hatte, bietet "München" ähnlich wie "Enigma" historisch wenig Überraschendes, da der Ausgang der Geschichte jedermann bekannt ist und der grundsätzliche Verlauf der Handlung somit vorhersehbar ist.

Die vorliegende Hörbuchausgabe ist in bewährter Manier bei Random House Audio als gekürzte Version auf insgesamt sechs CDs erschienen. Knapp acht Stunden Laufzeit bietet die Lesung von Frank Arnold, der bereits vor zwei Jahren den dritten Teil von Harris´ "Cicero-Trilogie" gelesen hatte. Alternativ zu den sechs Silberscheiben gibt es auch noch eine ungekürzte Lesung zum Download. Diese hat mit knapp elfeinhalb Stunden gut 40% mehr Laufzeit, was so einige Ecken und Kanten bei der vorliegenden gekürzten Lesung erklären mag. Des Öfteren fragt man sich nämlich als Hörer, ob der eine oder andere Charakter plötzlich vom Himmel gefallen ist, oder wundert sich, weshalb die Charaktere nicht den von Harris gewohnten Tiefgang mit sich bringen. Andererseits besitzt aber bereits die gekürzte Fassung ob der vielen diplomatischen Verhandlungen einige Längen, die sicherlich durch knapp dreieinhalb Stunden mehr Laufzeit nicht weniger geworden wären.

Harris hat in "München" die Handlung an zwei fiktiven Charakteren aufgezogen. Hugh Legat, ein Sekretär des britischen Premierministers, und Paul von Hartmann, Übersetzer im Auswärtigen Amt der Reichsregierung, kennen sich aus ihrer gemeinsamen Studienzeit in Oxford. Von Hartmann ist darüber hinaus noch Teil der Septemberverschwörer, die einem möglichen Krieg mit einem Staatsstreich begegnen wollten. Beide, Legat und von Hartmann, mischen sich unter das Gefolge der Delegationen und reisen gespannt, aber hoffnungsfroh nach München. Dort versuchen die beiden unter dem riskanten Einsatz von Leib und Leben, den Krieg auf ihre Art und Weise zu verhindern. Doch erhalten sie eindrucksvoll ihre Lektion in Sachen Diplomatie und Politik auf alleroberster Ebene, was letztlich nicht weiter überraschend ist, da der Ausgang der Münchener Verhandlungen allseits bekannt ist.

Wer die Erscheinungen von Robert Harris´ Büchern in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten mitverfolgt hat, der wird bemerkt haben, dass seine Produktivität deutlich angestiegen ist. Hat Harris sich in jüngeren Jahren gerne mal drei Jahre Zeit für ein Buch genommen, produziert er in den letzten Jahren deutlich frequenter. Über zwei Jahre Abstand zwischen zwei Büchern ist er mittlerweile bei einem Buch pro Jahr angelangt. Und in der Tat macht sich dies in der Qualität seiner Werke bemerkbar. Ähnlich wie "Konklave" aus dem Vorjahr fehlt auch "München" das inspirierende Element, das frühere Werke des Autors so außergewöhnlich hat sein lassen. Seit der "Cicero-Trilogie" warten Harris´ Leser wieder auf ein Buch, das unterstreicht, weshalb man diesem besonderen Autor seit einem Vierteljahrhundert die Stange hält. Diesem Auftrag möge Harris gerne nachkommen, nicht notwendigerweise im nächsten Jahr, sondern gerne auch erst im übernächsten.

Christoph Mahnel
18.12.2017

 
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Das Buch:

Robert Harris: München. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller

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Sprecher: Frank Arnold
München: Random House Audio 2017
Spielzeit: 478 Min., € 14,95
ISBN: 978-3-8371-3935-8

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