Bildbände

Gefahrlose Grüße

Auch die DDR hatte ihr "Gruppenbild mit Dame". Nicht in Buchform, so doch als Postkarte. Keine von der satirischen Art des Klaus Staeck. Die Karte war eine bitterernste Sache mit verbiesterten Visagen. Die im Hintergrund stehende Dame war das einzige weibliche Glied des 22-köpfigen Politbüros der SED, Anno 1968. Selbst geborenen, gelernten, geübten DDRlern wird die Karte kaum bekannt sein. Wenn doch, dann sicher nicht beliebt und begehrt. Das Postkarten-Politikum ist ein Witz wider Willen.

Ohne satirischen Sinn lassen sich Postkarten der DDR-Produktion offensichtlich wohl nicht mehr ansehen. Jedenfalls nicht für Jürgen Hartwig. Er offeriert 777 (!) Postkarten in dem von ihm zusammengestellten und kommentierten, großformatigen Band "Grüße aus der DDR". In Aufmachung und Ausstattung ist die Ausgabe weder großzügig noch großartig. Ohne Originalität sind auch die ironischen Texte, da ihr Verfasser den Satiriker nur imitiert.

Ein Blick zurück ohne Nostalgie, bedient der Band durchaus rückbezügliche Erinnerungen. Keine beispielhaft-komplette Sammlung sämtlicher Postkarten, die in der DDR zu haben waren, charakterisiert die Auswahl doch zutreffend die DDR. In Hartwigs Postkarten-Album können sich die Betrachter in das Alltagsleben der DDR hineinblättern. Das ist wahrlich nicht das, was Nachtrauernde erwarten und erwünschen. Das ist eher was für wirklich Interessierte und Zu-Interessierende. Für Westler also, die sich mal umsehen wollen, wie's da "Drüben" war. Um festzustellen, dass es dort auch "Schöne Aussichten" gab, die sich dann als gar nicht so schön erwiesen. So wie manche bunte Stadtansicht gar nichts Buntes bot.  

Die Postkarten sind Passfotos eines Landes, das nicht dazu verleitete, sich in das Land zu verlieben. Sie sind authentische Dokumente geworden, die zeigen, was wie war. In aller Schlichtheit, Schäbigkeit, Schläfrigkeit. Selbst im Geschönten unschön. Gestrig, sehr sehr gestrig eben. Wie das nun mal so ist, wenn alte Fotos angeschaut werden. Darauf müssen sich die Betrachter zuerst einstellen. Derart gefasst und gefestigt, muss die Schuld für Enttäuschung jeder bei sich selbst suchen. "Grüße aus der DDR" liefert dafür keinen Grund. Lassen Sie sich grüßen. Sorglos. Sind ja schließlich keine spekulativen, schönen Grüße aus der DDR. Nur Grüße, nichts als Grüße. Grüße also ohne Gefahr. 

Bernd Heimberger 
16.03.2009

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Jürgen Hartwig (Hg.): Grüße aus der DDR. 777 Postkarten

CMS_IMGTITLE[1]

Berlin: Eulenspiegel Verlag 2009
224 S., € 19,90
ISBN: 978-3-35902-226-8

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.