Romane

Ein großes Gesellschaftsepos in der Tradition von Richard Ford und Jonathan Franzen

Eine Kleinstadt zwischen Gier und Moral: Bakerton im ländlichen Pennsylvania hat schon bessere Zeiten gesehen. Die einst blühende Region ist durch den Niedergang von Kohle und Stahl schwer gezeichnet. Ist es da Segen oder Fluch, dass ein Energiekonzern den verarmten Landbesitzern plötzlich das große Geld verspricht? Plötzlich stellt sich für die meisten Farmer die Frage: Verpachten oder nicht verpachten? Es lockt viel Geld. Denn in einer geologischen Schieferformation, die sich von New York bis nach West Virginia erstreckt, vermutet man Erdgas. Ein Texas-Millionär erkennt die Gunst der Stunde. Er kann mithilfe von Fracking ein Vermögen scheffeln. Aber nur, wenn genügend Anwohner ihr Land für Bohrungen zur Verfügung stellen, für bis zu tausend Dollar für einen Morgen Land und eine Gewinnbeteiligung.

Wie sich schon bald herausstellt: nichts als Versprechungen. Hier ist der Schein das wahre Sein. Das muss auch der Gefängniswärter Rich Devlin erfahren. Er droht auf die Verheißungen des Energiekonzerns hereinzufallen. Seit längerem träumt er von der eigenen Landwirtschaft. In seiner Not unterschreibt er - und bereut schnell seine Entscheidung. Mit dem Lärm, dem Dreck, dem Lastwagenverkehr hat er ebenso wenig gerechnet wie mit der Paranoia seiner Frau, die davon überzeugt ist, dass kontaminiertes Leitungswasser ihre kränkliche Tochter vergiften wird. Die Biobäuerinnen Mack und Rena hingegen versuchen verzweifelt, der Versuchung des Geldes zu widerstehen. Dann lernen sie einen Öko-Aktivisten kennen. Durch ihn verändert sich mit einem Mal alles. Er bringt das Leben der beiden gehörig durcheinander. 

Da ist des Weiteren der gar nicht so unsympathische Anlagenleiter Herc, der in Bakerton die Liebe findet. Da sind andere, die Hass ernten; da kommt all das zusammen, was in der Schicksalsgemeinschaft einer Kleinstadt an Kräften agiert. Naivität und Gier, Hysterie und blinder Aktivismus, Ehekrisen und unverhoffte neue Allianzen - der Erdgas-Boom bringt ganz Bakerton ziemlich aus den Fugen. Am Ende des Tages ist nichts mehr, wie es einmal war. Alles verändert sich, und damit auch die Bewohner. Freundschaft? Für ein paar Dollar würde so mancher über die eine oder andere Leiche gehen, oder zumindest überlegen nicht gerade wenige, genau das zu tun ...

Unterhaltung, die alles andere glatt in den Schatten zu stellen vermag - die Bücher von Jennifer Haigh bedeuten ein Leseerlebnis ohnegleichen. In "Licht und Glut" zeichnet die US-amerikanische Autorin unbestechlich und mit großer Zuneigung zu ihren Figuren das Ringen ganz normaler Menschen um wirtschaftlichen Wohlstand und moralische Verantwortung und schafft gleichzeitig ein großartiges Porträt der US-amerikanischen Gesellschaft. Was man hier in die Hände kriegt, findet man nur seltenst zwischen zwei Buchdeckeln. Nach der Lektüre von Haighs Werken fühlt man sich nicht nur regelrecht schwindelig, sondern außerdem ganz glücklich. Hier kennt die Lesebegeisterung so schnell keine Grenzen. Solch einen brillanten Lesegenuss darf man sich auf gar keinen Fall entgehen lassen. Absolut grandios!

Jennifer Haigh besitzt ein außerordentliches Talent im Erzählen von Geschichten. Die Romane aus ihrer Feder versetzen garantiert jeden in einen Leserausch, von dem man sich wünscht, er möge niemals enden. Ab der ersten Seite von "Licht und Glut" verschlägt es einem den Atem und sogar die Sprache. Nach dem letzten Satz sieht man nicht nur die Staaten, sondern auch die eigene Welt mit anderen Augen. Die Autorin hält uns allen einen Spiegel vor. Damit nicht genug: Hier erfährt man Literatur aus Meisterhand. Einfach nur wow! Definitiv ganz hohe Schreibkunst! 

Susann Fleischer
02.05.2017

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Jennifer Haigh: Licht und Glut. Aus dem Amerikanischen von Juliane Gräbener-Müller

CMS_IMGTITLE[1]

München: Droemer Verlag 2017
480 S., € 22,99
ISBN: 978-3-426-28169-7

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.