Romane
Literatur , die absolut preisverdächtig ist
Fast zwei Jahre lang hat Pasha sich bitten lassen. Nun endlich bequemt er sich zu einem Besuch bei den Eltern und seiner Schwester, die nach New York ausgewandert sind. Das Leben dort scheint wie das Paradies auf Erden - allerdings nur auf dem ersten Blick. Hinter den Kulissen ist die Wahrheit eine andere. In den Vereinigten Staaten herrscht Darwins Prinzip, dass nur der Stärkere überlebt. Das mit dem Stärkeren trifft auf Pasha definitiv nicht zu. Er ist ein dichtender Bohemien, mit all seinem russischen Künstlertum und Naturtalent zum Missgeschick: Am Strand gerät er in eine Windhose, bei einer Bootspartie verliert er die Ruder. Immerhin schafft Pasha es allein nach Manhattan, wo er mit neureichen Exilrussen feiert.
Jahre später erinnert sich Pashas mittlerweile erwachsene Nichte Frida an den längst wieder auf der Krim lebenden Onkel. Sie will wissen, wie es ihm in Odessa geht. Kurzerhand nimmt sie den nächsten Flieger in Richtung Schwarzes Meer - und zwar nicht nur, weil sie neugierig auf Pashas neues, altes Leben ist. Frida ist nämlich auf der Flucht vor ihrer Mutter. Schon bald plant die junge Frau nach Boston zu gehen und dort zu studieren. Aber Mutter Marina möchte ihr "kleines Mädchen" nicht gehen lassen. Für ein bisschen mehr Freiheit ist Frida bereit, sich auf den Weg ans andere Ende der Welt zu machen. Und auch, um dort nachzusehen, wer es wirklich besser getroffen hat, die Ausgewanderten oder der in der alten Heimat Gebliebene...
Unterhaltung, für die Yelena Akhtiorskaya definitiv einen Preis verliehen bekommen sollte - "Der Sommer mit Pasha" ist eines der großen Lesehighlights im Jahr 2016. Mit diesem Werk gelingt der Autorin Lesegenuss pur. Hier gibt ab der ersten Seite jede Menge Emotionen und noch mehr Überraschungen. Was man hier in der Hand hält, ist der helle literarische Wahnsinn, einfach nur genial. Noch lange nicht beim letzten Satz angekommen, fühlt man sich, als hätte man mehrere Gläser spritzigen Champagners auf ex getrunken. Man ist ganz berauscht von all dem amüsanten Lesespaß, den man zwischen zwei Buchdeckeln zu finden vermag. Akhtiorskaya bringt den Leser zum Staunen. Und außerdem löst sie bei ihm große Lesebegeisterung über viele, viele Stunden aus.
Schon lange nicht mehr hat jemand so herrlich und so eigensinnig von familiären Anziehungs- und Abstoßungskräften erzählt wie Yelena Akhtiorskaya. Sie beweist mit "Der Sommer mit Pasha", dass sie Geschichten vom Weltklasseformat eines Orhan Pamuk oder einer Isabel Allende schreibt. Ihre Romane gehören nach ganz weit oben in die deutschen und internationalen Bestsellerlisten. Denn in diesen steckt ein Lesevergnügen, das seinesgleichen sucht.
Susann Fleischer
01.02.2016