Romane
Eine Geschichte von der Wucht einer griechischen Tragödie
Am Wannsee, 1939: Die Berliner Unternehmerfamilie Kypscholl hat es unter der Herrschaft der Nationalsozialisten zu Reichtum und großem Ansehen gebracht. Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges feiert Fabrikant Hermann Kypscholl seine Triumphe und träumt bei Sekt von einer verheißungsvollen Zukunft. Und tatsächlich: Schon bald genießt die ganze Familie alle Privilegien, denn die Geschäfte mit Nazi-Größen sind äußerst lukrativ. Während es sich Hermann und seine Frau in Berlin gutgehen lassen, geht Tochter Anna in den Osten, um dort ein Lebensbornheim zu führen. Früh hat sich die junge Frau der Rassenideologie verschrieben und will dieser um jeden Preis auf die Spur kommen.
Auch Annas Bruder Otto hat es in seinem Leben weitgebracht - nur leider nicht als Künstler, wie er immer gehofft hat. Sein Vater hat ihn einst gezwungen, in die Wehrmacht einzutreten. Otto macht innerhalb kürzester Zeit Karriere bei der Waffen-SS und "sichert" Kunstwerke in ganz Europa. Otto ahnt zwar, dass nicht alles rechtens ist, aber er beruhigt seine Schuldgefühle damit, dass er lediglich Befehle ausführt. Und immerhin hat er kein Menschenleben auf dem Gewissen - oder zumindest noch nicht. So vergehen die Jahre und das Ende des Krieges nähert sich langsam, aber sicher seinem Ende. Doch nach 1945 ist nichts mehr, wie es einmal war. Alles ändert sich mit einem Mal - auch für die Kypscholls.
Anna verschwindet spurlos und Otto wird festgenommen und fristet ein düsteres Dasein im Kriegsverbrechergefängnis. Dort wartet er auf seinen Prozess. Otto muss befürchten, durch den Strang einen grausamen Tod zu finden, aber kann die ganze Zeit in seinem Verlies nur an Anna denken. Die Teilung Deutschlands hat eine Schneise in die Familie geschlagen. Erst in den 1960er Jahren finden Annas Tochter und Ottos Sohn zusammen. Allerdings leiden beide an den Wunden, die der Krieg gerissen hat, und an den dunklen Geheimnissen, die plötzlich ans Tageslicht drängen ...
Für den Leser sind die Romane von Norbert Leithold das größte Glück der Welt. Mit "Herrliche Zeiten" gelingt dem deutschen Autor ein großartiges Vergnügen von geradezu berauschender Wirkung. Kein Wunder, dass man sich von solch einem wundervollen Genuss ganz trunken fühlt, denn diese Geschichte bedeutet Emotionen und Leidenschaft pur. Bei der Lektüre muss man immer wieder mit den Tränen kämpfen. Leithold schreibt mit ganz viel Gefühl. Eben Literatur, die einem das Herz zu brechen droht und einem ein seliges Lächeln auf die Lippen zaubert. Das muss man unbedingt lesen! Hier wird jede Seite zu Poesie von anmutiger Schönheit, zu einer zarten Versuchung, der garantiert niemand widerstehen kann.
Norbert Leitholds "Herrliche Zeiten" ist das "Buddenbrooks" unserer Zeit. Dieser Roman einer Familie kann problemlos mit Thomas Manns Meisterwerk mithalten, denn er zeugt von ganz großer Schreibkunst epischen Ausmaßes. Der deutsche Autor schafft mit seinen Worten ein Erlebnis, das den Leser vollkommen gefangen nimmt und die Welt um sich herum vergessen lässt. Seufz!
Susann Fleischer
03.03.2014