Romane

Ein Roman über die Liebe im Leben

Grete Reim, Norwegens "Kioskkönigin" der romantischen Liebesromane, ist Mitte fünfzig und fett. Sie muss nach einem durchsoffenen Tag von ihrem betrunkenen Ehemann Astor, gescheiterter Bankangestellter und ebenfalls übergewichtig, nach einem Sturz im regennassen Garten in ihr gemeinsames Heim geschleppt und irgendwie ins Bett verfrachtet werden.

Astor ist es, aus dessen Sicht dem Leser die ungewöhnliche Geschichte einer großen glücklich-unglücklichen Liebe geschildert wird. Er sitzt am Abend mit seiner üblichen Flasche Whisky am Schreibtisch seines Arbeitszimmers und sinniert über die Liebe. Die trat vor einem halben Leben in Gestalt der jungen, bildhübschen, intelligenten und selbstbewussten Grete Reim in sein Leben und veränderte es nicht nur, sondern gab ihm überhaupt erst eine Richtung. Nun muss er zuschauen, wie Grete auf dem Rückweg vom Nachbargrundstück, wo sie ihrer letzten verbliebenen Bekannten einen Besuch abstattete, in ihrer gewöhnlichen Volltrunkenheit an einem Gartenstrauch zu Fall kommt und sich im einsetzenden Wolkenbruch aus eigener Kraft nicht mehr ins Haus bewegen kann. Obwohl selbst sehr unsicher auf den Beinen, denn Unmengen von Alkohol sind seit Jahren beider ständige Begleiter auf dem Weg durch ein immer auswegloser werdendes Leben, macht Astor, der treue Ehemann, sich auf den Weg, seine Frau aus ihrer hilflosen Lage zu retten. Während er die Stunden dauernden Bemühungen schildert, die vor Trunkenheit bewusstlose Frau, diesen nun fast Ekel erregenden Körper zu Bett zu bringen, schweifen seine Gedanken und Phantasien immer wieder zurück in das gemeinsame, über viele Jahre hinweg zunächst sehr glückliche, dann langsam an den eigenen Schwächen und Unzulänglichkeiten scheiternde Leben.

In leisen, eindringlichen Tönen erzählt Ingvar Ambjörnsen die Geschichte einer großen und echten Liebe: Sie findet nicht in den eindrucksvollen Bildern und romantischen Situationen statt, die sich eine Schriftstellerin vom Range einer Grete Reim für ihre Leser und sich selbst immer aufs Neue vorgaukelt. Sie bleibt aber auch nicht so nüchtern, einfach und geradlinig wie der eher phantasielose Astor sich das Leben und die Liebe in seinen jungen Jahren wohl vorgestellt hat. Ambjörnsen gelingt es zu zeigen, wie wenig das wirkliche Leben und die wahre Liebe den Wünschen und Träumen der meisten Menschen entspricht, aber gerade dort, wo man sie nicht vermutet, wo die Realität trist und bedrückend ist, die große Liebe existiert und in kleinen, alltäglichen Handlungen und Situationen gegenwärtig ist.

mls
15.06.2006

 
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Das Buch:

Ingvar Ambjörnsen: Die Königin schläft

Bern: Scherz Verlag 2002
125 S., € 7,90
ISBN: 3-502-10016-0

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