Romane
Die Reise einer Tochter in die Vergangenheit ihrer Mutter
Ein verfallenes Schloss, drei alternde Schwester - eine davon wahnsinnig -, ein seltsamer Brief und jede Menge Geheimnisse - das sind die Zutaten für Kate Mortons neuen Roman "Die fernen Stunden". Mit dem Vorgänger, "Der verborgene Garten", belegte die Australierin auch hierzulande monatelang die vorderen Plätze der Bestsellerlisten und schickt sich nun zu Recht an, die Königin der romantischen Thriller zu werden.
Edie Burchill ist Lektorin in einem kleinen Londoner Verlag und hat sich gerade von dem Mann getrennt, von dem alle glaubten, dass sie ihn einmal heiraten würde. Eines Sonntags, als sie zu Besuch bei ihren Eltern ist, erhält ihre Mutter Meredith einen merkwürdigen Brief. Merkwürdig, weil er schon vor 50 Jahren abgeschickt wurde von einem Ort, an den Meredith als 13-Jährige evakuiert wurde, als im Zweiten Weltkrieg Bomben auf London fielen. Auf Milderhurst Castle, ihrem Zufluchtsort, lernte Meredith die drei Blythe-Schwestern kennen und lieben.
Neugierig und irritiert von der heftigen Reaktion ihrer sonst so kühlen und distanzierten Mutter macht sich Edie auf den Weg nach Milderhurst Castle, um den Geheimnissen ihrer Mutter auf die Spur zu kommen. Noch heute leben die drei Schwestern zusammen in dem verfallenen Schloss, das eine Aura des Mysteriösen und Verschrobenen umgibt, nicht zuletzt, weil eine der Schwestern, Juniper, dem Wahnsinn verfallen ist, nachdem ihr Verlobter sie verlassen hat.
Edie erfährt in den folgenden Monaten nicht nur Erstaunliches über ihre Mutter und was mit Junipers Verlobten passiert ist, sondern taucht auch in die Welt der Bücher, Geschichten und Fantasien ein. Raymond Blythe, der Vater der Blythe-Schwestern, war nämlich der Autor des Kinderbuches "Die wahre Geschichte vom Modermann", eines von Edies Lieblingsbüchern in ihrer Kindheit.
Die nicht chronologische Struktur von "Die fernen Stunden" verlangt die permanente Aufmerksamkeit des Lesers, ist aber andererseits auch der besondere Reiz des Buches. Morton versteht es außerdem, Geheimnisse immer zum richtigen Zeitpunkt zu lüften und mit den verborgenen Seiten ihrer Charaktere zu spielen. Mit "Die fernen Stunden" hat Morton vor allem ein Buch für Buchliebhaber geschrieben, denn Edie, Meredith und die Blythes sind Charaktere, die Geschichten schreiben, lesen, entschlüsseln und ihr Leben in Geschichten verarbeiten.
Bücher wie Mortons Romane erinnern jeden Bücherfreund wieder daran, warum er eigentlich liest - nämlich um völlig in eine Geschichte einzutauchen, sich mitreißen zu lassen und erst wieder aufzutauchen, wenn die letzte Seite umgeblättert wurde.
Sabine Mahnel
03.01.2011