Romane

Eine Dynastie im Wandel der Jahrhunderte

Der Name Rothschild ist seit jeher eine einflussreiche Bankiers-Dynastie, die im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts traurige Berühmtheit erlangte. Seit Beginn ihres großen Einflusses auf die europäische Wirtschaftsgeschichte ist sie das Ziel von Karikaturen, polemischen Schriften, Hetzkampagnen und diversen Verschwörungstheorien. Auch Betty de Rothschild weiß davon zu erzählen. An der Seite ihres Mannes James erlebte sie die Turbulenzen des 19. Jahrhunderts und machte die Bekanntschaft mit den Künstlern ihrer Zeit - unter ihnen Gioachino Rossini, Honoré de Balzac, Frédéric Chopin und Heinrich Heine. Ein bewegtes Leben, dem Pierre Assouline in seinem Roman "Das Bildnis der Baronin" mehr als einen Wimpernschlag des Augenblicks gönnt.

Paris im Herbst 1886: Drei Rothschild-Brüder und ihre Schwester begeben sich zum Notar, der ihnen der letzten Willen ihrer Mutter Betty offenbart. Auf Wunsch der Geschwister findet die Testamentseröffnung in Gegenwart des Porträts ihrer Mutter statt, das sie als Vierzigjährige zeigt. Doch das Bildnis der Baronin ist mehr als eine farbenprächtige Abbildung der Matriarchin. Vielmehr ist es dem berühmten Maler Jean-Auguste-Dominique Ingres gelungen, ihr Wesen so einzufangen, dass ihr Geist in dem Bild weiterlebt und dabei hört und sieht, was um sie herum geschieht. Dabei hat sie mehr als ein wachsames Auge auf ihre Nachkommen, die nicht wie sie den steinigen Weg eines Juden begehen müssen, sondern die Annehmlichkeiten der Reichen genießen dürfen.

In der Armut des Ghettos in Frankfurt aufgewachsen, erfährt Betty bereits in jungen Jahren die Vorurteile gegenüber europäischer Juden. Als Erbin der Rothschild-Dynastie hat sie das Glück nach Jahren des Entbehrens eine grundsolide Ausbildung für ein Leben in der gehobenen Schicht zu erhalten. An der Seite von James de Rothschild, ihrem Onkel väterlicherseits, wird sie in die vornehme Pariser Gesellschaft eingeführt. Die Ehe, geschlossen aus pragmatischen Gründen und weniger im Namen der Liebe, ist trotzallem als glücklich zu bezeichnen. Ihr entspringen fünf Kinder, die den Fortbehalt der Dynastie sichern und ein Leben in Luxus und Harmonie kennenlernen, das ihrer Mutter lange Zeit vorbehalten war. Umso größer ist die Bedeutung von ihrem Bildnis als Ausschnitt ihrer Zeit und Gesellschaft.

Pierre Assouline gelingt in seinem Roman "Das Bildnis der Baronin" das, wovon andere Schriftsteller nur träumen können: Er zeichnet das Bild einer (vergangenen) Zeit nach und verpackt auf 320 Buchseiten einen durchweg spannenden Geschichtsunterricht, der den Leser im Nu fesselt und Historie zu einem Erlebnis werden lässt. Dies gelingt ihm so lebensnah, dass man sich in das 19. Jahrhundert zurückversetzt glaubt und historischen Persönlichkeiten als gute Bekannten begegnet. Dabei gerät das vorliegende Buch zu einem berauschendem Gebilde aus Historie, Legenden und einem kleinen Schuss Fantasie - einfach Unterhaltung auf hohem Niveau.

Susann Fleischer
20.12.2010

 
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Das Buch:

Pierre Assouline: Das Bildnis der Baronin. Aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff

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München: Karl Blessing Verlag 2010
320 S., € 19,95
ISBN: 978-3-89667-379-4

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