Romane

Die DDR am 17. Juni 1953

Im Juli 1952 sollen in Ost-Berlin auf der 2. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) die Grundlagen für den Volksaufstand gelegt werden. Erhöhung der Arbeitsnormen um zehn Prozent, drastische Lohnsenkungen und Ignoranz der DDR-Führung gegenüber den Bedürfnissen der Arbeiterklasse führen am 17. Juni 1953 zu einer Welle von Streiks, Demonstrationen und Protesten in der Deutschen Demokratischen Republik. Erst als der Ausnahmezustand und anschließend das Kriegsrecht ausgerufen werden, werden die Aufstände blutig niedergeschlagen. Nun, 57 Jahre später, ruft Erich Loest der deutschen Bevölkerung mit seinem Roman "Sommergewitter" diesen Tag wieder ins Gedächtnis und erzählt die Ereignisse aus der Sicht jener Menschen, die einst noch hoffen und glauben konnten.

Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 betrifft das Schicksal vieler Menschen. Da ist Genosse und Stasi-Oberst Bruno Pfefferkorn, der sich entscheiden muss zwischen seiner Treue zur Partei und seinen eigenen Erfahrungen mit einem skrupellosen Regime. Veteran Alfred Mannschatz träumt von einer Republik im Sinne August Bebels. Für den jungen Metallarbeiter Hartmut Brücken brechen die Ereignisse jenes Mittwochs in eine heile Familienwelt ein. Plötzlich gerät er unfreiwillig in den Strudel aus Hoffnungen, Sehnsüchten und Verrat und muss sich als vermeidlicher Rädelsführer der Justiz entziehen. Dafür wird seine Frau Clara, Mannschatz´ Tochter, verhaftet und im Spiel der Kontrahenten zum Bauernopfer. Sie alle bilden eine Schicksalsgemeinschaft, verbunden durch persönliche Beziehungen, politische Verbindungen, gemeinsame Vergangenheiten.

Erich Loest hat mit seinem Roman "Sommergewitter" ein belletristisches Zeitdokument geschaffen, das die Vergangenheit in die Gegenwart holt und so für nachfolgende Generationen erfahr- und fühlbar macht. Wie kaum ein Zweiter schreibt Loest von den dunklen Kapiteln der DDR-Geschichte und erhebt die Schicksale vieler Menschen zu einem Mahnmal gegen Gewalt und Gegengewalt. Dabei füllt er die Leerstellen mit Emotionen und Poesie, sodass man das Gefühl hat, Teil des Volksaufstandes zu sein und gleichfalls auf der Straße zu stehen. Dank Erich Loest und seinem Roman "Sommergewitter" bleibt jener Tag nie vergessen und stets im Gewissen der deutschen Bevölkerung.

Susann Fleischer
07.06.2010

 
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Das Buch:

Erich Loest: Sommergewitter

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München: dtv 2010
352 S., € 9,90
ISBN: 978-3-423-13879-6

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