Romane
Abschied auf Raten
Clément trennt sich von Louise und kehrt zurück zu seiner Frau. Louise war jahrelang "die andere Frau", nun bleibt ihr nichts mehr von ihrer großen Liebe. Um Abstand zu gewinnen, flieht Louise aus Paris, der Stadt, in der sie alles an ihr Leben mit Clément erinnert und in der sie Gefahr läuft, ihm oder seiner Frau zufällig zu begegnen.
Die erste Station ihrer Reise ist Havanna - eine andere Zeitzone, eine andere Kultur, ein anderes Klima. Als all dies nicht hilft, fängt sie an zu schreiben - Abschiedsbriefe adressiert an Clément. Sie weiß nicht, ob er sie je lesen wird oder sie noch vor dem Öffnen wegwirft, aber sie weiß, dass sie diese Briefe schreiben muss, um mit der Vergangenheit abzuschließen. Die verlorene Liebe hat ihr alles genommen, "außer dem Gedächtnis; das Gedächtnis hemmt die Gesundung".
Bevor sie weiterreist nach New York, ist sie dieser Gesundung doch schon um einiges näher gekommen und schreibt: "Wenn ich schon nicht gesunde, so lerne ich doch wenigstens, mit dem Übel, das an mir nagt, zu leben." Zurück in Europa begibt sie sich ausgerechnet in eine der romantischsten Städte - Venedig - und fragt sich zu Recht: "Befreit man sich jemals von den Männern, die uns verlassen?" Die Antwort auf diese Frage kann und wird sie sich nur selbst geben können ...
Frankreichs preisgekrönter Romancier Philippe Besson ("Sein Bruder", "Eine italienische Liebe" und "Einen Augenblick allein") dokumentiert Louises langen, schmerzhaften aber auch erfolgreichen Abschied von ihrer großen Liebe Clément ausschließlich in Form von Briefen - von poetischen, wehmütigen, hoffnungsschwangeren, langatmigen Briefen; Briefen voller Selbstanalyse, aber ohne Bitterkeit, Selbstmitleid oder Hass.
Besson erfindet das Rad zwar nicht neu, wenn er Louise das Gefühl der Liebe als etwas beschreiben lässt, das man nicht einfach ablegt wie ein altes Kleidungsstück; oder wenn er sie darüber philosophieren lässt, was Lieben bedeutet: "Aber Lieben bedeutet nicht, sich ein für allemal auf dem Gipfel der Sicherheit zu wiegen. Es bedeutet, ständig zu zweifeln, ständig zu zittern, [...] Risiken einzugehen." Dennoch liest jeder von Liebeskummer geplagter Verlassener solche einfach klingenden und doch so profunden Sätze immer wieder gerne, um den Schmerz zu besiegen und zuversichtlich in die Zukunft zu schauen.
Sabine Mahnel
08.03.2010