Romane

Zum Scheitern verurteilt: Die Physikerin und der Pfarrer

Man kann zwei Menschen gleichzeitig lieben - dieser Überzeugung ist  Harriet, die Protagonistin in Ulrike Draesners viertem Roman "Vorliebe". Die Berliner Autorin, die neben ihren Romanen vor allem auch für ihre Gedichte und Essays bekannt ist und schon Preise wie den Hölderlin-Förderpreis, den Bayerischen Staatsförderpreis für Literatur und den Förderpreis zum Leonce-und-Lena-Preis erhalten hat, wagt sich damit an ein klischeehaft vorbelastetes Thema, das sie aber zum Glück auf ihre ganz eigene Weise interpretiert und darstellt.

Der Moment, der das geregelte Leben der Astrophysikerin, die mit ihrem Freund Ashley und dessen Sohn zusammenlebt und sich gerade für das Astronautenauswahlverfahren gemeldet hat, auf den Kopf stellt, scheint zunächst gar nichts mit ihrem Liebesleben zu tun zu haben - und dann doch wieder alles: Als Ashley bei einem Autounfall eine Fahrradfahrerin anfährt, trifft Harriet im Krankenhaus ihre Jugendliebe Peter wieder. Er ist nicht nur verheiratet, sondern auch noch Pfarrer und der Ehemann der verletzten Radfahrerin.

Harriet fühlt sich zurückversetzt in ihre Teenagerzeit, als sie sich unsterblich in den 20 Jahre älteren Peter verliebte. Die Gefühle, die sie bei dem Wiedersehen im Krankenhaus übermannen, sind dieselben wie damals. Auch wenn sie als Physikerin ihr Leben normalerweise weitaus logischer und vernünftiger betrachtet, gibt sie sich nun ihren Gefühlen hin und beginnt eine Affäre mit dem verheirateten Pfarrer - von der wohlgemerkt alle beteiligten Parteien wissen und ihrerseits mehr oder weniger versuchen, wegzusehen.

Spätestens an dieser Stelle hört in Ulrike Draesners Roman die Klischeehaftigkeit auf. Die betrogenen Partner werden nicht laut, machen keine Szene, sie arrangieren sich. Und Harriet muss bei einem gemeinsamen Kurzurlaub mit ihrem geliebten Peter feststellen, dass sie nicht alles an ihm durch die rosarote Brille sieht und dass sie sich, wenn sie ihm am nächsten ist, "aufs angenehmste allein" fühlt - nicht unbedingt der Stoff, aus dem glückliche Liebesgeschichten gemacht sind.

Jede der Personen in Draesners unkonventionellem, sprachlich ausgefeiltem Liebesroman geht mit den negativen Gefühlen, die diese Beziehungskonstellation hervorruft, anders um. Doch nicht alle überleben dieses Liebesdrama: Am Ende scheint eine der beteiligten Personen an einer Art gebrochenen, zerrissenen Herzen zu sterben.

Sabine Mahnel
22.02.2010

 
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Das Buch:

Ulrike Draesner: Vorliebe

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München: Luchterhand Literaturverlag 2010
254 S., € 19,95
ISBN: 978-3-630-87294-0

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