Romane

Ein Roman um Sex , Selbstmord und Wertverlust

Über 60 Jahre ist "Die Römerin" nun schon alt und noch immer hat Alberto Moravias Roman nichts von seiner Aussagekraft und Brisanz eingebüßt. Schließlich sind Themen wie Prostitution, Selbstmord und Wertverlust heutzutage genauso aktuell wie 1947 - dem Erscheinungsjahr des Buches. Und dieses wird für den Leser umso interessanter, wenn er erfährt, dass der Vatikan 1952 das Werk wegen Obszönitäten auf den Index setzte - eine Maßnahme, durch die der Roman nur noch mehr Aufmerksamkeit erfuhr. Dabei ist die Handlung gar nicht auf Skandal ausgerichtet, wie man bereits auf den ersten Seiten erkennen wird.

Rom in den 1920er Jahren: Die 16-jährige Adriana lebt mit ihrer Mutter in ärmlichen Verhältnissen. Während das Mädchen von der großen Liebe und einer eigenen Familie träumt, unternimmt ihre Mutter alles, um Roms "Slums" zu entkommen. Dazu verhelfen soll ihr die eigene Tochter, denn diese ist so schön, dass sich die Maler darum reißen, sie porträtieren zu dürfen. Insbesondere als Aktmodell kann man viel Geld verdienen. Und doch ist es für Adrianas Mutter nie genug, um ein sorgenfreies Leben zu führen - fernab ab Armut und Elend.

Als Adriana ihrer Mutter Gino vorstellt, scheinen die Träume von einem besseren Leben zu zerplatzen. Dieser ist nämlich kein großzügiger Millionär, sondern verdient seinen Lebensunterhalt als Chauffeur und kommt damit nur gerade so über die Runden. Die Mutter intrigiert gegen diese Beziehung und unternimmt jede Anstrengung, um Adriana die Augen zu öffnen - mit Erfolg. Adriana erfährt die grausame Wahrheit: Gino ist bereits verheiratet und hat ihr die ganze Zeit nur vorgespielt, sie heiraten zu wollen.

Die Mutter nutzt die Gunst der Stunde und treibt die eigene Tochter in die Prostitution. Denn schließlich ist Adriana überwältigt von der Enttäuschung über die erste große Liebe und so leichter manipulierbar. Doch eines hat die Mutter nicht bedacht: Adriana bewahrt sich stets ihre Würde und glaubt an die Liebe - ein Umstand, der dem Mädchen das Leben erträglicher macht. Auch wenn es so scheinen mag, Fortuna hat die hübsche junge Frau nicht vergessen: Das Schicksal verwebt Adrianas Leben mit dem des Studenten Giacomo. Doch während sie sich unsterblich in den jungen Mann verliebt, scheint eine gemeinsame Zukunft undenkbar: Politische Intrigen und Fallstricke verhindern ein Happy-End.

Alberto Moravia hat mit "Die Römerin" einen Roman geschaffen, der auch 60 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung die Leser aufwühlt und nachdenklich macht. Dies geschieht nicht zuletzt durch die Wahl des Erzählers: Adriana lässt als Ich-Erzählerin den Leser direkt an ihrem (meist) zwiespältigen Gefühlsleben teilhaben und fesselt diesen mit dramatischen Inhalten, die klassischen Tragödien in nichts nachstehen. Zweifelsohne ist der Roman nicht als kurzweilige Sommerlektüre konzipiert, sondern als erschütterndes Geständnis einer jungen Frau, das seine Leser stets bewegt und nichts an seiner Bedeutsamkeit für die literarische Nachwelt verloren hat.

Susann Fleischer
18.01.2010

 
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Das Buch:

Alberto Moravia: Die Römerin. Aus dem Italienischen von Michael von Killisch-Horn

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München: Luchterhand Literaturverlag 2009
512 S., € 11,00
ISBN: 978-3-630-62182-1

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