Romane

Von Rockstars , Schreibblockaden und Peugeot-Mahlwerken

Jasper, Meike und Henry: Sie sind die drei Hauptdarsteller in Kristof Magnussons zweitem Roman "Das war ich nicht". Damit lässt der Deutsch-Isländer seinem bemerkenswerten Debütroman "Zuhause" aus dem Jahre 2005 einen nicht minder erfolgversprechenden Zweitling folgen. Henry hat sich in Jasper verguckt, Jasper in Meike, und Meike verfolgt Henry. Dies mag in knappen Worten das Spannungsfeld in "Das war ich nicht" beschreiben. Etwas ausführlicher ist die Sachlage wie folgt:

Jasper Lüdemann hat gerade den großen Karriereschritt gemacht und ist in den Händlersaal der Investmentbank Rutherford & Gold in Chicago aufgestiegen. Der schachspielende Schalke-Fan aus Sprockhövel in Nordrhein-Westfalen hat damit den Rang eines Rockstars erreicht - so werden sie nämlich intern genannt, diejenigen, die Transaktionen über Millionen von Euro und Dollar tätigen, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Dafür hat Jasper keine Zeit für Freunde und Familie - aber egal: Das kann warten, jetzt wird Karriere gemacht!

Ebenfalls in Chicago angesiedelt ist Henry LaMarck, der große Schriftsteller und Pulitzer-Preisträger. Der Leser lernt ihn kennen auf der Überraschungsparty zu seinem sechzigsten Geburtstag, organisiert durch seine Kollegen vom Verlag. Man muss Henry schließlich hegen und pflegen, scheint er doch gerade unter einer gewissen Schreibblockade zu leiden und mit seinem neuesten Roman, dem groß angekündigten Werk zum Thema "11. September", nicht so recht zum Ende zu kommen. Dass er tatsächlich noch gar nicht damit begonnen hat, verschweigt er natürlich und flieht lieber von seiner eigenen Party in die Anonymität eines Hotelzimmers, ungestört und unbehelligt von den Nachfragen aller.

Und dann ist da noch Meike Urbanski aus Norddeutschland, die gerade fluchtartig Hamburg, ihren Freund, ihre Freunde und damit ihr bisheriges, sich immer mehr auf Salzmühlen mit Peugeot-Mahlwerken fokussierendes Leben verlassen hat, um auf einem abgelegenen Hof in Norddeutschland ihre Ruhe und den ganzen Rest zu finden. Meike übersetzt seit Jahren erfolgreich die Romane von Henry LaMarck ins Deutsche, nachdem sie sich jahrelang mit der Übersetzung von "Hausfrauenpornos", sprich von seichten aus Massenproduktion stammenden Frauenromanen, mehr schlecht als recht über Wasser gehalten hat. Somit liegt auf der Hand, dass der ständige Aufschub von Henrys neuestem Roman Meike immer unruhiger werden lässt. Kurzerhand entschließt sie sich, nach Chicago zu fliegen, um Henry persönlich Beine zu machen!

Damit ist das Trio komplett und vor Ort. Dass Jasper bei einem "Coffee to go" irgendwie Gefallen an Meike gefunden hat und Henry auf einer Ausgabe der "Chicago Tribune" von Jaspers Konterfei derart entzückt ist, dass er glaubt, mit Jasper würden sich all seine Probleme lösen, macht die Verwirrung maximal. Entwirrt werden die unterschiedlichen Perspektiven durch Magnussons Kunstgriff, alle Kapitel des Buches entweder mit "Jasper", "Meike" oder "Henry" zu überschreiben. Der Leser verfolgt somit trotz durchgängiger Ich-Erzählung die Geschichte aus ständig wechselnden Perspektiven, mitunter in aufeinanderfolgenden Kapiteln auch mal ein und dieselbe Situation mehrfach aus unterschiedlichen Gefühlslagen geschildert.

Kristof Magnusson ist ein kleines, aber feines, vor allem jedoch ein ungewöhnliches Buch gelungen, das drei Menschen in einem kurzen, zeitlich begrenzten Rahmen sehr intensiv begleitet. Ungewöhnlich ist auch sehr passend für Magnusson selbst und den Werdegang des jungen Shootingstars der Kreativszene: Halb Deutsch, halb Isländisch und in Hamburg geboren machte er nach dem Abitur eine Ausbildung zum Kirchenmusiker und absolvierte seinen Zivildienst bei der Obdachlosenhilfe in New York, bevor er sich in den letzten Jahren einen Namen als Autor von Romanen und vor allem Theaterstücken machte.

Das vorliegende Buch wird sicherlich ob der selbstverständlichen Schilderung der homoerotischen Gefühle Henrys für Jasper auf einige Leser punktuell einen befremdlichen Eindruck machen. Gerade da diese Gefühle sich aber in keinster Weise von Jaspers Leidenschaft für Meike unterscheiden, werden sich genau diese Leser allerdings verschämt zurückziehen und für ihre mangelnde Weltoffenheit kleinlaut bei sich selbst entschuldigen. "Das war ich nicht" ist darüber hinaus ein hochaktuelles Buch, da es mit einer ordentlichen Portion Kritik an der Bankerszene garniert ist. So wie Magnusson die Jagd nach Boni und den verantwortungslosen Umgang mit dem Geld anderer anprangert, wird der Leser zustimmend nicken und es letztlich sehr schade finden, dass die amüsante und wortwitzige Geschichte um Jasper, Meike und Henry bereits nach nicht einmal 300 Seiten ihr Ende gefunden hat.

Christoph Mahnel
18.01.2009

 
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Das Buch:

Kristof Magnusson: Das war ich nicht

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München: Antje Kunstmann Verlag 2010
288 S., € 19,90
ISBN: 978-3-888-97582-0

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