Romane

Ein Knäuel verschlungener Episoden

Schon die Gestaltung fesselt: In den Auslagen der Buchhandlungen sticht das Buch "Zwei schwarze Jäger" von Brigitte Kronauer sofort ins Auge und provoziert den Leseentscheid. Die beiden schwarzen Jäger sind symbolbeladene Figuren, eigentlich Dublikate von Originalen in Rom, Gestalten, die mit Ketten an Löwen gebunden sind und umgekehrt. Menschen sind von Ängsten, Visionen, Utopien und Leidenschaften bestimmt, und es sind Löwen, unheimlich in ihrem Instinktverhalten.

Das Werk liegt in der Hand wie ein Knäuel verschlungener Lebensepisoden von Figuren, die aufscheinen und wieder verschwinden. Die Autorin bietet daher eine handliche Aufstellung des Personaletats an, der für die Bestückung der Szenerie verpflichtet wurde. Da tauchen außer der Schriftstellerin Rita Palka, die von Brigitte Kronauer immer wieder nach vorne geschoben wird, auch dieser Herr Schüssel auf, "Veranstalter in W.", dazu Wally, die Nichte des erfahrenen Oom Henk, oder etwa Personen aus dem Umfeld des Kurfürsten August des Starken. Aber man wird die Liste wieder beiseiteschieben wie einen Plan, der einen wirren Basar erklären soll. Ein erklärter Basar wird eben kein Basar mehr sein - und ein Werk wie "Zwei schwarze Jäger" nach einer Zerlegung kein Knäuel mehr. Es ist doch ein Roman, und von Romanen darf man sich treiben lassen.

Wer aufmerksam aufnimmt und hinhört, vernimmt den spottenden Humor, der sich über die Episoden ausbreitet aus einer Art Schreibvergnügen heraus. Es braucht indessen einiger Bemühung, um die Regie der Autorin innerhalb dieses Werkes erkennen zu können.

Ganz klar ist das, was mit stark gestaltetem Cover in der Hand des Lesers liegt: nämlich kein "Nebenherbüchlein" für die Lektüre im ICE zwischen Hannover und Kassel. Dafür ist die Sprache zu kompakt, die Geschichte zu dicht ersonnen. Und die Satzführung ist ja trotz ihrer Selbstverständlichkeit nicht einfach hingeworfen. Die Sprache ist erdacht, das macht auch deren Reiz aus. Schnellleser, die sich in Fast-Reading-Kursen angewöhnt haben, das innere Vorlesen abzustellen, um temporeich auf Seite 286 zu gelangen, tun gut daran, sich solcher Tricks zu entwöhnen. Wenn man sich nämlich die Abschnitte vor das innere Gehör bringt, dringen sie auch ein.

Die Autorin, die im gleichen Verlag den Bestseller "Teufelsbrück" herausgegeben hat, wurde 1940 in Essen geboren und lebt heute als freie Schriftstellerin in Hamburg. Frei - das ist angesichts der Löwen und der Ketten dazwischen eine vergleichsweise kühne Behauptung. Trotzdem: Brigitte Kronauer hat bedeutende Preise erhalten - darunter den Fontane-Preis Berlins, den Heinrich-Böll-Preis, den Bremer Literaturpreis und den Joseph-Breitbach-Preis. Vor vier Jahren durfte sie außerdem den Büchner-Preis der Darmstädter Akademie entgegennehmen.

Wer also in einer deutschen Buchhandlung nach Kronauer fragt, bekommt sicher Auskunft - welche auch immer. Dass auch "Zwei schwarze Jäger" ungleiche Reaktionen auslöst, dass es höchst variantenreiche Interpretationen in Gang setzt, dies liegt auf der Hand. Von der Porträtaufnahme beim hinteren Klappentext wird man wohl auf eine sehr bestimmte Persönlichkeit schließen, aber dem steht erfahrungsgemäß ein höchst unberechenbar eigenwilliges Publikum gegenüber.

Dem widerspricht nicht, dass der Roman etwas Unentrinnbares an sich hat. Man wird ihn lieben oder hassen, man wird ihn nie unbeachtet ins Regal abschieben. Im Idealfall wird man sich die Frage stellen, wer diese Kronauer wirklich ist, und ihr weiteres Schaffen mitverfolgen.

Ronald Roggen
21.12.2009

 
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Das Buch:

Brigitte Kronauer: Zwei schwarze Jäger

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Stuttgart: Klett-Cotta Verlag 2009
286 S., € 21,90
ISBN: 978-3-608-93885-2

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