Romane

Zweiter Akt einer römischen Tragödie

"Was für eine undankbare Aufgabe, die Republik nicht nur zu regieren, sondern auch zu bewahren!", so Ciceros Bilanz nach fast einem Jahr Konsulat am 9. November 63 v. Chr. in seiner zweiten Rede gegen Catilina. Die römische Republik steht vor dem Abgrund: Der Senat ist gespalten in Populare und Aristokraten, Catilina, der Cicero bei den Konsulatswahlen unterliegt, plant eine Verschwörung gegen seinen Konkurrenten, und der junge Caesar bahnt sich langsam aber sicher seinen Weg an die Spitze des Staates.

In "Imperium", dem ersten Teil der Cicero-Trilogie von Robert Harris, steht Cicero als homo novus, also als Aufsteiger aus einfachen Verhältnissen, dessen Vorfahren noch keinerlei politische Ämter bekleidet haben, noch ganz am Anfang seiner politischen Karriere. Er durchläuft den cursus honorum, die Ämterlaufbahn, die Politiker der römischen Republik absolvierten, und ist nun im zweiten Teil der Trilogie als Konsul Roms auf dem Höhepunkt der Macht angekommen. Cicero hat sich seine Lorbeeren weder durch militärische Erfolge erworben, noch konnte er auf ein ausreichend hohes Vermögen zurückgreifen. Einzig seine rhetorischen Fähigkeiten und die Prozesse, die er damit gewonnen hat, bringen ihm Ruhm und Ansehen.

Robert Harris, der für seine bestens recherchierten und spannungsgeladenen Historien-Thriller bekannt ist, hat es auch mit "Titan" geschafft, Inhalte, die dem Leser mehr oder weniger bekannt sind, in einen spannenden Roman zu verpacken. Das Wissen um den Ausgang der "Geschichte" mindert das Lesevergnügen in keiner Weise - was sicherlich eine der größten Leistungen Harris` ist. Harris betont jedoch ausdrücklich, dass "Titan" an erster Stelle ein Roman sei und dass er sich, wann immer sich Fiktion und Tatsache im Wege standen, für Ersteres entschieden habe.

Die dichterische Freiheit, die sich Harris herausgenommen hat, kann jedoch nicht verdecken, dass sich die Politik im ersten Jahrhundert v. Chr. in ihren Grundzügen nicht allzu sehr von der Politik des 21. Jahrhunderts unterschied; sie ist vielmehr eine Urform der modernen Politik, auch wenn sie nicht mehr das Spiel auf Leben und Tod ist, das sie damals zweifellos war.

Harris hat sich mit seiner Trilogie über Aufstieg, Herrschaft und Fall Ciceros zur Aufgabe gemacht, die beim Untergang des Römischen Reiches verloren gegangene Biographie, die Tiro, Ciceros Privatsekretär und Erfinder der ersten Stenographie, über seinen Herren geschrieben hatte, wiederzubeleben. So lässt Harris Tiro das Leben seines Herren erzählen - geistreich, pointiert und menschlich. Neben dem politischen Aspekt gibt vor allem diese besondere Darstellung der Psyche eines Staatsmannes den Ausschlag, der einen historischen Polit-Roman wie "Titan" zu einer bemerkenswerten Veröffentlichung auf dem Buchmarkt macht.

Sabine Mahnel
07.12.2009

 
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Das Buch:

Robert Harris: Titan. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller

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München: Heyne Verlag 2009
544 S., € 21,95
ISBN: 978-3-453-00158-9

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