Romane

Jäger werden zu Gejagten: Grausame Rache in den Wäldern Maines

Julius hat ihn gehört, den Schuss, der seinen Hund Hobbes, seinen treuen Weggefährten, getötet hat. In den herbstlichen Wäldern Maines sind Schüsse zur Jagdsaison zwar nichts seltenes, doch so nahe an Julius’ Haus, das einsam mitten im Wald steht, sind sie normalerweise nicht zu hören. Für ihn steht fest: Jemand hat absichtlich und aus nächster Nähe auf seinen geliebten Pittbullterrier geschossen, mit dem er seit vier Jahren sein sonst so einsames Leben in dem gemütlichen Haus im Wald verbracht hat.

Julius Winsome, Einzelgänger, Shakespeare-Fan und Tierfreund, schwört Rache: Er wird den "Jäger", der seinen Hund erschossen hat, finden und sich an ihm gleichermaßen rächen. Den Umgang mit dem Gewehr hat er von seinem Vater und Großvater gelernt, die beide im Krieg gekämpft haben. Von ihnen hat er auch das Haus im Wald mitsamt seinen 3000 Büchern geerbt, deren Worte ihm Trost spenden und in kalten und einsamen Wintern warm halten.

Gerard Donovan, der selbst mit seinem Hund umgeben von Natur in einer ehemaligen Bahnstation im Staat New York lebt, zeichnet das Bild eines Menschen, dem die Einsamkeit sein Leben lang nichts ausgemacht hat, bis er eines Tages seinen besten Freund verliert. Nun beginnt Julius Winsome über die vielen Verluste in seinem Leben nachzudenken: die Mutter, die bei seiner Geburt gestorben ist, der Vater, der ihn vor 20 Jahren alleine zurückgelassen hat, und die einzige Frau in seinem Leben, Claire, die ihn einen Sommer lang glücklich machte und dann genauso unerwartet aus seinem Leben verschwand, wie sie gekommen war.

Der Verlust seines Hundes und die Erinnerung an all die anderen Verluste in seinem Leben machen aus dem ruhigen, genügsamen Einsiedler einen skrupellosen Mörder, dem man als Leser aber überraschenderweise alles andere als abgeneigt ist - der Ich-Perspektive sei Dank! Donovan führt uns vor Augen, dass das Animalische in uns nicht so tief begraben ist, wie wir uns das wünschen. Der Drang nach Vergeltung schlummert in jedem von uns und wartet nur darauf, in unser Bewusstsein zu dringen.

Gerard Donovan liefert dem Leser mit "Winter in Maine", seiner ersten Veröffentlichung auf dem deutschen Buchmarkt, nicht nur einen literarisch ansprechenden und fesselnden Roman, sondern auch viel Stoff zum Nachdenken - ein Buch, das sicher niemanden kaltlässt trotz der winterlichen und in mehrerlei Hinsicht eiskalten Atmosphäre!

Sabine Mahnel
19.10.2009

 
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Das Buch:

Gerard Donovan: Winter in Maine. Aus dem Englischen von Thomas Gunkel

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München: Luchterhand Literaturverlag 2009
208 S., € 17,95
ISBN: 978-3-630-87272-8

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