Romane

David Lodges neues Meisterwerk: Schwerhörigkeit als Vorstufe zum Tod

David Lodge, einer der bekanntesten zeitgenössischen englischen Schriftsteller, der als Meister des humoristisch-satirischen Romans gilt und mit seinen Campus-Romanen "Ortswechsel" und "Kleine Welt: eine akademische Romanze" berühmt wurde, ist mit seinem neuesten Werk, dem autobiographisch anmutenden Roman "Wie bitte?", nach fünf Jahren zurück auf der literarischen Bühne.

Desmond Bates, Linguistikprofessor und Frühpensionär, bekommt der Ausstieg aus dem akademischen Zirkus nicht besonders gut. Er kann sich nur schwer damit abfinden, dass seine tägliche Routine aus Zeitunglesen, Einkaufen und häuslicher Arbeit bestehen soll, während seine etwas jüngere Ehefrau Winifred, von ihm liebevoll Fred genannt, beruflich gerade erst richtig in Fahrt kommt und mit ihrer Firma für Inneneinrichtung erfolgreicher denn je ist. Zu der Entscheidung, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, hat ihn mehr oder weniger seine immer stärker zunehmende Schwerhörigkeit gezwungen, die es ihm schwer gemacht hat, Seminare zu geben und wichtige Gespräche zu führen.

Nicht nur seiner beruflichen Karriere hat die Schwerhörigkeit geschadet, sondern auch sein gesellschaftliches Leben leidet mehr denn je unter diesem Handikap. Partys, Empfänge und große Menschenansammlungen sind ihm ein Gräuel, da er aus dem Stimmengewirr die wichtigen Töne und Sätze nicht mehr herausfiltern kann und sich nur noch auf unbedeutenden Small Talk einlassen kann, wobei er nur hoffen kann, dass seine Bemerkungen zu dem gerade Gesagten seines Gegenübers passen. Die sich schon seit Jahren ankündigende Schwerhörigkeit hat den Mittsechziger im Laufe der Jahre beruflich und gesellschaftlich aufs Abstellgleis katapultiert.

Als er sich wieder einmal auf einem dieser für ihn nur schwer erträglichen Empfänge befindet, wird ihm seine Schwerhörigkeit beinahe zum Verhängnis. Eine junge Frau, die auf dem Gebiet der Linguistik promoviert, unterhält sich mit ihm, aber er versteht so gut wie kein Wort und hat keine Ahnung, wozu er in diesem Augenblick gerade Ja gesagt hat. Sein alterndes Gehör hat ihn einmal mehr in eine peinliche Situation gebracht, denn er weiß noch nicht, dass besagte Studentin ihn gerne als Doktorvater hätte und ihn bald mit eindeutig zweideutigen Emails, Anrufen und Päckchen auf die Pelle rücken wird.

David Lodge, selbst emeritierter Literaturprofessor und von Schwerhörigkeit geplagt, nähert sich den Themen seiner Romane gewohnt zynisch und mit einer gehörigen Portion Selbstironie, so dass so ernste Themen wie das Gefühl der Leere eines Pensionärs, das Einbußen an Lebensqualität, wenn man einen seiner fünf Sinne verliert, oder die fehlende Erotik in einer langen Ehe ihre Härte verlieren und ausnahmsweise einmal von der humoristischen Seite aus betrachtet werden.

In den meisten Romanen des englischen Sprachjongleurs spielt Sprachwitz eine entscheidende Rolle, so auch in "Wie bitte?". Die besondere Herausforderung solch einen Roman, der auf sprachliche Missverständnisse und Witze, die nur schwer in andere Sprache zu übertragen sind, aufbaut, zu übersetzen, hat die Übersetzerin Renate Orth-Guttmann gut gemeistert, auch wenn es natürlich Abstriche zu machen gilt: Der Titel des Romans lautet im englischen Original "Deaf Sentence", das eine Anspielung auf den Begriff Todesurteil, also "Death Sentence", sein soll. Für Schwerhörige wie Bates ist genau dieser Unterschied in den beiden Wörtern "deaf" und "death" so gut wie nicht zu hören. Noch dazu bringt Lodge mit diesem herrlichen Wortspiel zum Ausdruck, dass die Schwerhörigkeit für seinen Helden Bates nur einen weiteren Schritt in Richtung Tod bedeutet.

"Wie bitte?" ist eine herrlich komische und vor allem selbstironische, menschliche Tragödie, die die kleinen und großen Sorgen eines in die Jahre gekommenen Mannes erzählen, der (noch) dagegen ankämpft, seiner Begegnung mit dem Tod jeden Tag ein bisschen näher zu kommen.

Sabine Mahnel
30.03.2009

 
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Das Buch:

David Lodge: Wie bitte? Aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann

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München: Blessing Verlag 2009
368 S., € 19,95
ISBN: 978-3-89667-396-1

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