Romane

Biographien voller Brüche

"Mannestreu" ist ein Roman in dem Romane stecken. Alle Romane, die Andreas Montag schreiben wollte? Montag ist kein junger, kein neuer Autor. Jahrgang 1958 ist die Biographie des Schriftstellers den Biographien anverwandt, die er in "Mannestreu" schildert. Es sind die Geschichten seiner Generation. Biographien voller Brüche. Sie sind Männern und einer Frau widerfahren, die "was am Herzen haben" und einander in einer Reha-Klinik an der Ostsee treffen. Keine große, aber eine großartige Welt – oder was für groß und großartig gehalten wird. Es ist die Welt und Wirklichkeit kleiner Leute von Heute. Eine Welt und Wirklichkeit, die einst Hans Fallada so treffend beschrieb. Montag ist kein Erzähler vom Schlage Falladas. Montag ist auch kein Erzähler von der Art Günter de Bruyns, obwohl "Mannestreu" wiederholt an de Bruyns "Neue Herrlichkeit" erinnert. Jener von den zensorischen Kleingeistern der DDR ungeliebte Roman macht die Atmosphäre eines Sanatoriums zu einem Kulminationspunkt der Gesellschaftskritik.

Der Schriftsteller Andreas Montag ist ein kritischer Realist. Er ist ein Traditionalist. Ganz und gar zum Vorteil des Romans. Und ebenso zu dessen Nachteil. Die Biographien mehrerer Personen, mehrerer Generationen, die die Romane in dem Roman sind, werden zumeist in komprimiertester Weise vorgetragen. Zu vieles ist eher Andeutung denn Ausführung. Das reduziert den Erzähler und somit sein Erzählen. Die Dichte im Faktischen macht "Mannestreu" literarisch nicht dichter. Der alles wissende, alles überschauende Autor lässt der Phantasie der Leser wenig Chancen.  "Jeder trägt sein Päckchen" heißt es wörtlich in dem Roman. Montag packt seinen Personen Päckchen für Päckchen auf die nicht breiten Schultern. Auf die des unbekümmerten Sexisten, die des selbsterschütterten Stasizuträgers, die des reuigen Lustmolchs, der auf Kinderpornos steht, die des unanfechtbaren Nazis, die der betrogenen, doch gar nicht so unselbstständigen Frauen. Leute, allesamt, mit DDR-typischen Kaderakten. "... eine handvoll Menschen im Osten Deutschlands", die "ein paar Dinge zu ordnen" haben, wie der Schriftsteller schreibt. Triste Leute? Trostlose Leute? Arme Würstchen? Ohne Ironie heißt es: "... die Helden des Dramas werden neu aufgestellt". Gut ist zu beobachten wie das geschieht. Zug um Zug wie auf dem Schachbrett. Immer seltener überraschend. Immer häufiger absehbar. Schade, zu schade!

An sich ist jede Story einer Person für sich eine starke Story. Doch der Schriftsteller stiehlt dem Erzähler in sich wieder und wieder die Schau. Er lässt dem Erklärer den Vortritt. Auf einer halben Seite wird zusammengefasst, woher Figuren kommen, wie sie in die Situation gerieten, in der sie sind. Das hat etwas Bemühtes, Angestrengtes. In der Reha-Klinik angekommen, sind die eigentlich bewegenden Bewegungen bereits geschehen. Die vermeintlich dramatischen Geschichten, am gemeinsamen Ort auf Zeit, sind undramatisch. Dramatik war, ist und bleibt in den mitgebrachten Biographien. Mit der Dramatik des eigenen Romans wird weitergelebt werden.

Der Roman "Mannestreu" von Andreas Montag ist der einfache Roman einfacher Leute. Einfach erzählt. Was aber ist das Einfache? Was sind einfache Leute? Was ist einfaches Erzählen? Es ist nie einfach, das Einfache einfach zu machen. Andreas Montag hat sich das Einfache nicht einfach gemacht.

Bernd Heimberger
02.03.2009

 
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Das Buch:

Andreas Montag: Mannestreu

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Halle(Saale): Mitteldeutscher Verlag 2008
174 S., € 16,-
ISBN: 978-3-898-12565-9

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