Romane

Theater der gepeinigten Seelen in der mexikanischen Einöde

San Miguel, Mexiko. In der mexikanischen Einöde leben die Spanierinnen Paula, Manuela, Victoria und die junge Amerikanerin Susy zusammen mit einem weiteren Dutzend Frauen und Kinder in einer eigens für sie gebauten und gesicherten Kolonie. Sie sind allesamt Ingenieursgattinnen, die durch den Beruf ihrer Ehemänner in dieser besonderen Konstellation zusammengeführt wurden. Während die Männer fünf Tage die Woche an einem Staudammprojekt in der Nähe arbeiten und nur am Wochenende in die Kolonie kommen, entwickelt das Leben der Frauen, die von dem mexikanischen Alltag abgeschottet sind und ihr altes Leben, ihren Job und ihre Freunde aufgegeben haben, eine ganz eigene Dynamik, die große Veränderungen mit sich bringt und vor keinem der Bewohner Halt macht.

Die Mittvierzigerin Paula führt mit Santiago seit Jahren eine Ehe, die nur noch auf dem Papier besteht und beide gleichermaßen seelisch quält. Keiner der beiden hat bisher jedoch den Schritt in die Freiheit gewagt. Paula, literarische Übersetzerin, flüchtet sich in den Alkohol, ihr Ehemann in die Arbeit. Kurz nach seiner Ankunft in der Kolonie jedoch soll sich nicht nur sein eigenes, sondern auch das Leben der anderen Bewohner grundlegend ändern: Er trifft auf die sanftmütige, ruhige Victoria, die sich in ihrer Ehe mit Rámon bisher nicht über Mangel an Liebe, Geborgenheit und Stabilität beschweren konnte. Zumindest nicht bis zu dem Moment, in dem sie die Liebe zu Santiago, dem Kollegen ihres Mannes, entdeckt und bemerkt, dass sie ohne diese Gefühle, ohne diesen Mann nicht leben kann.

Die Entscheidung der beiden Ehebrecher Victoria und Santiago, ihre Liebe und ihr Leben nicht zu verstecken und nach ihren Vorstellungen zu leben, löst eine wahre Kettenreaktion in dem Mikrokosmos der Kolonie aus. Die 60-jährige Manuela, die schon seit Jahrzehnten glücklich mit ihrem Adolfo verheiratet ist und ihm und den gemeinsamen Kindern immer ein geborgenes Zuhause geboten hat und auch in der Kolonie die Fäden des sozialen Lebens in der Hand hält, fragt sich plötzlich, ob ihr Ehemann sie überhaupt noch liebt und ob sie es tatsächlich nie bereut hat, ihren Job für ihn aufgegeben zu haben. Auch das frisch verheiratete amerikanische Ehepaar Henry und Susy geht unruhigen Zeiten entgegen, denn Susy kann und will nicht länger diejenige sein, für die sie alle zu halten scheinen.

Die spanische Schriftstellerin Alicia Giménez-Bartlett, die in ihrer Heimat mit den bereits verfilmten Petra-Delicado-Romanen großen Erfolg feierte, legt in „Will ich dich lieben und betrügen“ die gepeinigten Seelen von vier Frauen (und Männern) frei, die nach außen ein sorgenfreies Leben führen. Mit diesem starken Kontrast von innen und außen und dem erschreckenden Einblick, den Giménez-Bartlett dem Leser bietet, führt sie uns allen vor Augen, dass wir die Menschen in unserer nächsten Umgebung oftmals nicht so gut kennen, wie wir glauben möchten. Wenn Menschen, die uns nahe stehen plötzlich mutige Entscheidungen treffen und Veränderungen in ihrem Leben vornehmen, fragt man sich zwangsläufig selbst immer: Und was mache ich mit meinem Leben? Genau dieses Gefühl beschreibt Giménez-Bartlett authentisch – wenn auch manchmal leider etwas zu langatmig – in ihrem neuesten Roman.

Sabine Mahnel
05.01.2009

 
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Das Buch:

Alicia Giménez-Bartlett: Will ich dich lieben und betrügen. Aus dem Spanischen von Sybille Martin

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Bergisch Gladbach: Lübbe Verlag 2008
459 S., € 18,00
ISBN: 978-3-7857-1620-5

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