Romane
Wie man seine Bestimmung findet
Der Damm ist gebrochen, der Fluss des Lebens trägt Christian Haller näher an seine Bestimmung heran. Aus dem jungen Mann, der den Weg suchte, "den es nicht gab und den er dennoch gehen wollte", ist ein Schriftsteller geworden. Durch Widerstände, Schicksals- und Rückschläge eröffnen sich ihm zunächst neue Lebens- und Arbeitsbereiche. Er aber muss kämpfen gegen finanzielle Nöte, gegen Ablehnung und für die Anerkennung seiner Arbeit. Doch schreibend gelangt er an sein Ziel: In der Erkundung seiner Herkunft, jener Einschläge des 20. Jahrhunderts, die die Wege seiner Familie bestimmten, tritt allmählich das erzählende Ich hervor. Und mit ihm die Frage, wie der Untergrund des Lebens tatsächlich beschaffen ist.
Am Anfang steht eine Erschütterung: Die Risse im Fundament seines Hauses führen Christian Haller zu der Frage, wie der Untergrund seines Lebens beschaffen ist. Und wie er den Weg gefunden hat, den es nicht gab und den er dennoch gehen wollte: den Weg eines Schriftstellers. Und das ist mehr als bewundernswert, wenn man schreiben will um des Schreibens willen und nicht, um reich und berühmt zu werden. "Flussabwärts gegen den Strom" erzählt von Fehlschlägen und Wiederaufrappeln, vom Kämpfen für einen Traum. Mit feinem Gespür für die verborgenen Strömungen spannt Haller den Bogen durch ein wechselhaftes Jahrhundert. Es ist der Roman über die dichterische Kraft der Erinnerung und darüber, wie die Zeit in jedes Leben hineinragt.
Literatur, die zu den schönsten Geschenken für den Leser gehören - genau das schreibt Christian Haller. Es gibt kaum ein größeres, überwältigender Glück als die Lektüre von "Flussabwärts gegen den Strom". Ob der schriftstellerischen Begabung des Schweizer Autors kann man nur den Kopf neigen, noch dazu ehrfurchtsvoll! Also, Chapeau! Seine Worte berühren das Herz und die Seele des Lesers, sind auch etwas für den Kopf. Seine Neuerscheinung klingt noch lange nach der letzten Seite in einem nach. Hallers Weg war ein mühsamer, aber auch einer, der dem Rezipienten Mut gibt, selbst etwas zu wagen. Und könnte sich lohnen; auch wenn man immer mal wieder unterwegs stolpert und sogar fällt. Ein Buch wie ein Hoffnungsschimmer!
Wofür andere Autoren vierhundert Buchseiten und mehr brauchen, gelingt Christian Haller mit gerade einmal der Hälfte: nämlich für Unterhaltung mit Rauschwirkung zu sorgen. Die Lektüre seiner Bücher bedeutet auf jeder einzelnen Seite ein besonderes, fast schon unvergleichliches, aber definitiv unvergessliches Erlebnis. "Flussabwärts gegen den Strom": Genuss pur! Und diesen kostet man mit jedem Wort voll und ganz aus. Von welcher Publikation kann man ähnliches behaupten? Nur von den wenigsten!
Susann Fleischer
31.08.2020