Romane
Ein Juwel der Literatur - von unvergleichlicher Schönheit!
New York, 2014: Anna hat ihren Vater nie kennengelernt. Er starb noch vor ihrer Geburt beim Terroranschlag auf das World Trade Center am 9. September 2001. Sie weiß nur, dass er aus Kuba stammte und dort bei seiner Großtante Hannah lebte. Eines Tages erhält Anna mit der Post einen Briefumschlag aus Kuba von Hannah, der Großtante ihres Vaters. Neugierig reist das Mädchen mit seiner Mutter auf die Karibikinsel, um mehr über das Leben ihres Vaters zu erfahren. Die Suche nach Antworten, wer ihr Vater war, führt Anna in ein dunkles Kapitel (deutscher) Vergangenheit: in die NS-Zeit. Damals, als die Menschlichkeit von der Welt verschwand und Millionen Juden in Konzentrationslagern umgebracht wurden.
Die elfjährige Hannah lebt mit ihrer Familie in Berlin. Nach der Reichskristallnacht im November 1938 ahnen die Rosenthals, dass sie in ihrer Heimat nicht mehr sicher sind, denn sie sind Juden. Sie beschließen auszuwandern. Doch die Flucht gestaltet sich schwierig. Nur Kuba erklärt sich bereit, jüdische Emigranten aufzunehmen. Der Familie gelingt es, kubanische Visa sowie eine Passage auf der St. Louis nach Havanna zu ergattern, und bricht in eine ungewisse Zukunft auf. Endlich am Ziel angekommen, weigert sich die kubanische Regierung jedoch, die rund 900 Flüchtlinge aufzunehmen, nur einzelne Personen werden an Land gelassen, unter ihnen Hannah und ihre Mutter. Ihr Vater bleibt auf dem Schiff zurück.
Die Ankunft von Hannah und ihrer Mutter in Kuba und ihr Leben dort sind nicht einfach. Zwar besitzen sie ein Haus und genügend Geld, sind aber unerwünscht, werden beschimpft. Zudem ist Hannahs Mutter schwanger und verfällt in Selbstmitleid, verzieht sich in Ihr Schneckenhaus. Derweil nimmt die St. Louis Kurs auf Europa. Einige der Passagiere werden von Großbritannien, Frankreich und Belgien aufgenommen, landen aber in den Kriegsjahren trotz allem im KZ. Hannah kämpft und sie hofft auf ein Wiedersehen mit ihrem Vater und ihrem besten Freund Leo. Eine überaus trügerische Hoffnung, oder ...?!
Berührend-schönstes Gefühlskino zwischen zwei Buchdeckeln - mit "Das Erbe der Rosenthals" trifft Armando Lucas Correa jedem Leser mitten ins Herz. Die Geschichten aus seiner Feder sind ein Leseerlebnis, das man sein Leben lang nicht mehr vergisst. In diesen stecken Emotionen pur. Ab den ersten paar Sätzen weint man regelrecht Sturzbäche von Tränen. Unterhaltung der Extraklasse, einfach zum Niederknien gut kriegt man mit den Romanen des US-amerikanischen Autors in die Hände. Hier erfährt man Erzählkunst auf höchstem Niveau. Solch ein Debüt ist von großer Seltenheit, und außerdem von eindringlicher Intensität. Von diesem wird einem ganz schwindelig. Literatur war definitiv noch nie herzzerreißend schöner!
Was bedeutet es, auf der Flucht zu sein, seine Heimat zu verlieren, die Liebsten? In "Das Erbe der Rosenthals" erzählt Armando Lucas Correa einfühlsam und sprachgewaltig die Geschichte zweier Mädchen, die zwei Kontinente und mehr als sechs Jahrzehnte trennen, die aber so vieles verbindet: die Liebe zu ihren Vätern, ihr Überlebenswille, die Hoffnung. Ihm gelingt ein Lesehighlight, das seinesgleichen sucht, sowie ein Buch gegen das Vergessen.
Susann Fleischer
08.01.2018