Romane
Eine Geschichte , ganz nah an den historischen Details: fulminant recherchiert und noch fulminanter erzählt
Nach dem Ende des Spanischen Erbfolgekriegs im Jahre 1713 erhalten englische Händler für 30 Jahre das Monopol für die Belieferung des spanischen Kolonialreichs in Südamerika mit schwarzen Sklaven. Eines Tages weigert sich der "Händler" Jenkins (de facto wohl Schmuggler), sich von der spanischen Küstenwache vor Kuba kontrollieren zu lassen, worauf der spanische Kapitän dem Zeternden kurzerhand das linke Ohr abschneidet. Einige Monate später steht Jenkins vor den Mitgliedern des britischen Unterhauses in London und erzählt ihnen von dieser ungeheuerlichen Begebenheit. Als er das Beweisstück vorlegt, ist das in der aufgeheizten Stimmung für England Grund genug, mit dem größten Flottenaufgebot seit der Armada auf diese Provokation Spaniens zu reagieren.
Im Oktober 1739 kommt es schließlich zum Kolonialkrieg in der Karibik. Der später berühmte Romanautor Tobias Smollett nimmt als junger Assistenzarzt an Bord eines britischen Linienschiffs an der Unternehmung teil. An seiner Seite ist man ganz nah dran an den Kriegsereignissen bis 1742. Diese beginnen mit der Einnahme von Puerto Belo und Chagre durch Admiral Vernon. Dann mischt sich Frankreich in das Geschehen ein: König Ludwig XV. entsendet einen Flottenverband von 22 Schiffen unter Admiral d´Antin zur Unterstützung der Spanier nach Westindien. Auf der anderen Seite kämpft Rafael Ortiz für Spanien und dessen Seehoheit. Er war auch dabei, als Jenkins sein Ohr abgeschnitten wurde. Ehe er es versieht, befindet er plötzlich zwischen den Kriegsfronten ...
Literatur, wie man diese definitiv nicht alle Tage zwischen zwei Buchdeckeln zu finden vermag - mit "Das Ohr des Kapitäns" bereitet Gisbert Haefs seinen Lesern ein Erlebnis, das garantiert nicht nullachtfünfzehn ist. Denn die Story zeugt nicht nur von Spannung, sondern außerdem von genialem Wortwitz. Stundenlang nimmt die Handlung einen vollkommen gefangen. Nach nur wenigen Sätzen liest man sich in einen Rausch sondergleichen. Der deutsche Autor weiß echt zu überraschen. Seine Bücher sind das reinste Leseabenteuer: so aufregend wie kaum etwas anderes. Wenn es einem nach etwas ganz Besonderem gelüstet, sollte man unbedingt zu einem Werk aus Haefs´ Feder greifen. Denn er sorgt für ein Lesevergnügen weit abseits des Mainstreams. Absolut grandios!
Gisbert Haefs schreibt Historienschmöker par excellence. In diesen werden vergangene Zeiten wieder lebendig. Ab der ersten Seite von "Das Ohr des Kapitäns" glaubt man sich tatsächlich im 18. Jahrhundert und auf einem Schiff, mitten auf dem Atlantik. So sollte Unterhaltung am besten immer sein: ganz nah dran am (historischen) Geschehen. Haefs macht es möglich. Dank ihm kann man wirklich Geschichte erleben.
Susann Fleischer
13.11.2017