Romane
Ein raffiniertes Spiel mit Realitäten
Marie, Anfang 30, arbeitet als Journalistin in Hamburg und führt eine glückliche Beziehung mit der Architektin Johanna. Doch dann wird Maries Leben von einem auf den nächsten Moment infrage gestellt. Die junge Frau erreicht ein Brief von ihrer Schulfreundin Christine, als Adresse: die Rue Visconti in Paris. In dem Schreiben ist die Rede von ihrem Mann Victor und von ihrer lebensbedrohlichen Krankheit. Marie versteht die Welt nicht mehr und fährt kurzerhand in die alte Heimat. Dort lebt Christine. Bei einem Gespräch wird klar: Christine hat diesen Brief nie geschrieben. Aber wer dann? Zurück in Hamburg versucht Marie normal weiter zu machen. Das allerdings scheint unmöglich. Marie findet in ihrem Briefkasten weitere Nachrichten von "Christine".
Um diesem Rätsel auf die Spur zu kommen, bleibt Marie keine andere Wahl: Sie reist nach Frankreich und macht sich auf die Suche nach Antworten. Dort angekommen findet sie sich in einem Leben wieder, das ihr seltsam vertraut ist und mit dem sie sich auf unerklärliche Weise verbunden fühlt. Sie und Victor fühlen sich auf zueinander hingezogen. Es kommt zum Äußersten zwischen ihnen. Dabei möchte Marie nichts an ihrem Leben ändern. Doch liegt wirklich in Hamburg ihre Zukunft? Oder gehört sie nicht doch eher an die Seite von Victor. Zwischen den beiden besteht eine Anziehungskraft, die Marie so noch nie erlebt hat, nicht einmal mit Johanna, die doch eigentlich ihre große Liebe ist. Realität ist eine Frage der Wahrnehmung, nicht der Wahrheit ...
oEin grandioseres Debüt als "Der Brief" hat es schon lange nicht mehr gegeben. Carolin Hagebölling gelingt der wohl ungewöhnlichste Überraschungslesehit seit Kate Atkinson. Deutsche Autoren können durchaus mit der internationalen Konkurrenz mithalten. Das vorliegende Buch hält den Leser über viele, viele Stunden lang wach. Jede Menge Spannung - und noch mehr Emotionen sorgen für ein Lektüreerlebnis, das man so schnell garantiert nicht mehr vergessen wird. Es verändert Leben! Nach dem Zuklappen fällt es einem äußerst schwer, in die Wirklichkeit zurückzukehren. Hagebölling sorgt für zahlreiche Gänsehautschauer und man weint, was das Zeug hält. Die Geschichten aus ihrer Feder treffen mitten ins Herz und lassen einfach niemanden unberührt.
"Der Brief" von Carolin Hagebölling gehört definitiv zu den außerordentlicheren, originelleren Bucherscheinungen dieses Jahres. Was man hier in die Hände kriegt, ist Literatur jenseits des Mainstreams. Ab dem ersten Satz nimmt die Story einen vollkommen gefangen. Man vergisst sogar das Atmen. Und nach der letzten Seite fühlt man sich ganz schwindlig ob solch eines genialen Lesevergnügens.
Susann Fleischer
17.07.2017