Krimis & Thriller

Kings Kompendium kleiner Köstlichkeiten

Über Stephen Kings schriftstellerische Taten preisende und lobende Worte zu verlieren, käme dem Transport von Eulen in die griechische Hauptstadt gleich. Schon zu Lebzeiten genießt der mittlerweile 68-jährige US-Amerikaner allerhöchstes Ansehen auf der ganzen Welt und wird von Abermillionen von Menschen bewundert, die bereits in jüngeren Jahren von Kings Horror-Schockern in den Bann gezogen wurden. Seine Klassiker "Es" oder "Shining" waren Werke von epischem Ausmaß und werden heute bereits als Klassiker ihres Genres geführt. Doch Stephen King kennt keinen Stillstand und hat sich im Laufe der Jahre schriftstellerisch weiterentwickelt. Peu à peu hat er sich dabei von seinem ursprünglichen Stil entfernt. Heute überzeugt er mit hochwertiger Belletristik unter Zuhilfenahme wohldosierter Thrill-Effekte, wobei er vor allem durch seine tiefgründigen Beschreibungen von Personen und Situationen begeistert.

Die Wandlungsfähigkeit und Flexibilität Stephen Kings offenbart sich auch darin, dass er nicht immer 500 oder wie einst bei "Es" weit mehr als 1000 Seiten benötigt, um sich mitzuteilen. So beherrscht er auch die Kunst der kurzen Geschichte, wie er zeit seines Lebens immer wieder unter Beweis gestellt hat. Eine Sammlung solcher "short stories" beinhaltet der dieser Tage vom Heyne Verlag publizierte "Basar der bösen Träume". Insgesamt 20 Kurzgeschichten breiten sich über 750 Seiten aus und bereiten dem Leser ein sehr vielschichtiges Vergnügen. Neben Miniaturen mit teilweise sogar weniger als zehn Seiten, finden sich darin auch etwas breiter angelegte Erzählungen, die King Spielraum geben. Doch unabhängig von der Länge der verschiedenen Geschichten wird garantiert jeder Leser seine eigenen Favoriten im vorliegenden Buch küren.

Zum Einstieg präsentiert King mit "Raststätte Mile 81" ein Werk, das er bereits vor einigen Jahren geschrieben, doch bis dato lediglich als E-Book sowie als Hörbuch in Deutschland veröffentlicht hatte. Da King in den vergangenen Monaten nicht mit der Absicht, eine Kurzgeschichten-Sammlung herauszubringen, eine "short story" nach der anderen zu Papier gebracht hat, ist "Basar der bösen Träume" dementsprechend ein Kompendium von Kings Schaffen aus den vergangenen Jahren. Dennoch gilt für die allermeisten der 20 Einzelbestandteile, dass es sich hierbei um eine Erstveröffentlichung in deutscher Sprache handelt. Somit ist das vorliegende Buch sowohl für King-Novizen als auch für langjährige und treue Anhänger interessant.

In "Raststätte Mile 81" fühlt man sich an Kings "Christine" erinnert, wenn der junge Pete Simmons sich auf seiner Abenteuer-Tour in der verlassenen Raststätte an der Interstate 95 verkriecht und mitansehen muss, wie ein herrenloses Auto einen Menschen nach dem anderen vertilgt. Im Vorwort zu dieser Geschichte beschreibt King, wie er zu seiner Studentenzeit häufig besagte Autobahn befuhr und in ihm dabei die Idee zu "Raststätte Mile 81" entstanden war. Einleitende Worte dieser Art findet King zu sämtlichen 20 Kurzgeschichten und gibt so dem Leser interessante Einblicke in den kreativen Prozess eines Schriftstellers. Dabei wird insbesondere deutlich, wie lange die Schwangerschaften mancher Geschichten andauern, so tragen Autoren manchmal jahre- oder gar jahrzehntelang Basiselemente einer ungeborenen Geschichte in sich, bis dann meist ein weiterer Impuls letztlich dafür sorgt, dass die Geschichte das Licht der Welt erblickt.

Mit "Die Düne" und "Ur", der mit knapp 100 Seiten längsten Kurzgeschichte in "Basar der bösen Träume", liefert King weitere Highlights. So handelt "Die Düne" von einem alternden Richter, der selbst im hohen Alter Tag für Tag mit seinem Boot auf eine Insel übersetzt, um in der dortigen Sanddüne ablesen zu können, wer aus seinem Umfeld als nächstes dem Tod geweiht ist. King versteht es meisterhaft, mit der besonderen Form der Kurzgeschichte umzugehen und pointiert die Handlung zu konzentrieren oder einen überraschenden Twist vorzubereiten. Mit "Basar der bösen Träume" holt sich der King-Fan ein Buch ins heimische Bücherregal, das er höchstwahrscheinlich anders als die sonstigen Bücher des Meisters nicht verschlingen wird, sondern daraus genussvoll eine Köstlichkeit nach der anderen verspeisen wird. Nichtsdestotrotz erwartet der geneigte und etwas ungeduldige Leser von King den Abschluss der laufenden Bill-Hodges-Trilogie und wird eventuell nervös mit dem Fuß wippend auf diesen "Einschub" blicken. Laut Verlagsangaben ist es aber wohl schon im Sommer 2016 soweit, für den mit "End of Watch" besagter dritter Teil im englischen Original angekündigt worden ist.

Christoph Mahnel
29.02.2016

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Stephen King: Basar der bösen Träume

München: Heyne Verlag 2016
768 S., € 22,99
ISBN 978-3-453-27023-7

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.