Krimis & Thriller

Eine Landpartie in der Rhön mit ungewissem Ausgang

Kommissar Klaus Seeberg erhält einen Anruf, der makabrer nicht sein könnte. Der mutmaßliche Mörder seiner Tochter Laura ruft ihn an, um ihn zu fragen, ob es ihn denn interessiere, wer der wahre Mörder seiner Tochter sei. Seeberg ringt um Atem, wägt ab, den Anruf abzuwürgen, entscheidet sich schließlich aber doch, sich Petrov und dessen Anliegen zu widmen. Dieser liegt in der JVA Schwalmstadt auf der Krankenstation mit Krebs im Endstadium und möchte die Wahrheit ans Licht bringen, bevor er sich von dieser Welt verabschiedet. Und in der Tat wartet er mit einigen Informationen auf, die Seeberg glauben lassen, dass der wahre Mörder seiner Tochter noch nicht hinter Schloss und Riegel sitzt.

Besagten Anruf hatte Kommissar Seeberg am Ende von "Rhönblut" erhalten, dem ersten Rhön-Krimi aus der Feder von Zeno Diegelmann. Ein klassischer Cliffhanger, mit dem der Krimi-Novize seine Leser auf die Folter gespannt hatte. Glücklicherweise waren nur wenige Monate zu überbrücken, bis die Fortsetzung in die Bücherläden gelangte: "Finsterhain". Den Titel hat das Buch vom Tatort bekommen, an dem Laura einst tot aufgefunden worden war. Der zweite Roman Diegelmanns setzt sogleich nahtlos am Ende des Vorgängers an und begleitet Seeberg mit seinen düsteren Gedanken auf der Fahrt in besagte Justizvollzugsanstalt.

Das Erscheinungsbild des vorliegenden Buchs ähnelt stark dem von "Rhönblut". Diegelmann lässt sich auch in "Finsterhain" nicht über Gebühr aus und kommt mit knapp dreihundert Seiten aus, wobei diese auch noch mit einem komfortablen Zeilenabstand ausgestattet sind. Doch genau darin erweist sich Diegelmanns wahre Meisterschaft. Er schafft es, einen spannenden und fesselnden Krimi zu schreiben, der keine Überbrückungen beinhaltet, keine spannungstechnischen Auszeiten in sich trägt, sondern "straight forward" seinen Weg geht und dabei dem Protagonisten Seeberg trotz der gebotenen Kürze klare Konturen gibt, so dass man sich als Leser sehr gut in das Seelenleben des Kommissars hineinversetzen kann.

So ist der Hauptdarsteller zunächst von den Hinweisen Petrovs arg irritiert, pendelt zwischen Ignoranz und Neugier. Doch sobald er seine ersten Recherchen aufgenommen hat, wird ihm klar, dass er voll ins Schwarze getroffen hat. Der einstige Strafverteidiger Petrovs wird nämlich, kurz nachdem ihn Seeberg aufgesucht hat, um die Ecke gebracht. Die herausgelöste Zunge aus dem Mund des zwielichtigen Advokaten beinhaltet eine unzweideutige Botschaft. Auch die nächsten Ansätze des Kommissars, der sich eigentlich nichts sehnlicher wünscht, als das Irdische zu verlassen, um wieder mit seiner Tochter vereint zu sein, untermauern die immer stärker werdende Vermutung, dass der Serienmörder Petrov zwar alle anderen Taten begangen hat, ihm aber der Mord an Laura zusätzlich in die Schuhe geschoben worden war.

Sehr gut wird der innere Konflikt Seebergs dargestellt, der sich zunächst in der Beantwortung der Frage zeigt, ob ein Vater moralisch verpflichtet ist, jedem Hinweis hinsichtlich der Wahrheitsfindung nachzugehen, oder ob er die Dinge nicht einfach ruhen lassen sollte. Im weiteren Verlauf wird Seeberg emotional durchgeschüttelt, als so manche Entwicklungen in Fulda gegen ihn laufen. Dass sich der Fall um den Mörder von Laura in dem vorliegenden schmalen Taschenbuch vollends auflöst, diese Hoffnung lässt der erfahrene Leser schon recht früh fahren. Die Bahn ist somit frei für einen dritten Teil, in dem der Kommissar einen Fall in Angriff nehmen muss, als die hessische Rhön als Zonenrandgebiet noch das Ende der Bundesrepublik Deutschland markierte und ihren Ruf als zivilisatorische Diaspora begründete.

"Finsterhain" ist garantiert kein Buch für den bevorstehenden Strandurlaub, die Zeit des Jahres, in dem man gerne auch dicke Schmöker in Angriff nehmen möchte. Stattdessen lässt sich dieses Buch durchaus an einem einzigen Abend lesen. Diesen Vorwurf wird sich Diegelmann von denjenigen, die ihn denn unbedingt kritisieren möchten, gefallen lassen müssen. Für schlappe 9,99 Euro hat man sich allerdings eine hervorragende Unterhaltung für die nächsten drei bis vier Stunden gesichert. Diegelmann ist nach dem furiosen Finale in "Finsterhain" jedoch im Zugzwang. Die nächste Fortsetzung darf nun definitiv nicht lange auf sich warten lassen. Ein Erscheinen in Kürze wird zwar momentan noch nirgendwo angekündigt, sollte jedoch vom Autor dringend realisiert werden!

Christoph Mahnel
28.07.2014

 
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Das Buch:

Zeno Diegelmann: Finsterhain

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Berlin: Aufbau Taschenbuch 2014
293 S., € 9,99
ISBN 978-3-746-62628-4

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