Krimis & Thriller

Visuell beeindruckendes Verwirrspiel mit Stil

Die von Arthur Conan Doyle kreierte Figur Sherlock Holmes erfreut sich in den letzten Jahren großer Beliebtheit. Davon zeugen nicht nur die 2009 und 2011 von Guy Ritchie gedrehten Filme über den britischen Meisterdetektiv, sondern auch die formidable BBC-Serie "Sherlock". Nun haben sich der Autor Luc Brunschwig und der Zeichner Cécil dem Kult-Kriminologen in einer Graphic Novel angenommen. Diese wird vom Verlagshaus Jacoby & Stuart - inklusive eines kenntnisreichen und lesenswerten Nachwortes von Christopher Clumsy - im edlen Hardcover sehr wertig präsentiert.

"Abschied von der Baker Street", der erste Band der Reihe "Holmes (1854-†1891?)", beginnt dort, wo Arthur Conan Doyle seine Figur eigentlich sterben lassen wollte: bei den Reichenbachfällen. Hier soll der Meisterdetektiv sein Leben geopfert haben, um den Erzverbrecher James Moriaty mit in den Tod zu reißen. Die Trauer ist zunächst groß. Doch allmählich stellen sich Zweifel ein. War Sherlock Holmes etwa schon längst nicht mehr der geniale Detektiv, sondern ein Opfer seiner Drogensucht? War sein Tod ein Selbstmord? Mord? Oder nur ein Trick? Dr. Watson und Simeon Wiggins ermitteln.

Cécil, Träger des Comicpreises der französischen Buchhändler, demonstriert seine Zeichenkunst gleich zu Beginn virtuos, indem er im ersten Panel ganzseitig zeigt, wie Holmes mit seinem Widersacher ringt. Dem Leser scheint es fast, als könne er das Brausen der sich im Hintergrund auftürmenden Reichenbachfälle hören. Die nächsten Bilder konzentrieren sich auf Dr. Watson, der den Schauplatz später erreicht. Der ehemalige Gehilfe des Meisterdetektivs wird zunächst in der Totalen präsentiert. Dann kommt der Leser ihm sukzessive näher, bis nur noch sein verzweifelt aufgerissener Mund und schließlich nur noch die Schreie selbst - versinnbildlicht durch einzelne Buchstaben - zu sehen sind. Ein besserer Einstieg in die Geschichte ist kaum vorstellbar.

Fast die gesamte Graphic Novel ist in Schwarz-Weiß bzw. Braun-Weiß gehalten. Das erinnert unweigerlich an alte Fotos, was der im 19. Jahrhundert spielenden Geschichte eine stimmige Atmosphäre verleiht. Cécil zeichnet stilistisch sehr ansprechend und arbeitet schön die Mimik seiner Figuren heraus, die er sehr nuanciert darstellt. Zudem kreiert er immer wieder Bilder, die wegen des Detailreichtums und ihrer Dynamik überaus lebendig wirken.

Luc Brunschwig dürfte deutschen Comic-Fans vor allem als Autor der Reihe "Warrens Schwur" bekannt sein. Leser, die sich mit der Geschichte von Sherlock Holmes nicht auskennen, erhalten zu Beginn eine praktische Einführung über die Ausgangssituation, die das Verständnis erleichtert. Später werden handschriftliche Texte zwischen und in die Bilder montiert. Das mag einige Puristen stören. Tatsächlich verleiht es der Story aber mehr Tiefe und macht sie facettenreicher. An einigen Stellen wirkt die Graphic Novel aber etwas zu textlastig. Zudem gibt es nach dem tollen Auftakt und dem spannenden Schlussdrittel im Mittelteil, der nicht ganz so mitreißend wirkt, einen kleinen Durchhänger.

Der erste Band der Reihe "Holmes (1854-†1891?)", "Abschied von der Baker Street", ist dank einer guten und spannenden Story sowie der hervorragenden visuellen Gestaltung ein Fest für Fans von Sherlock Holmes, aber auch für alle anderen Krimi-Freunde empfehlenswert.

Ingo Gatzer 
25.03.2013

 
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Das Buch:

Luc Brunschwig: Holmes (1854-†1891?) - Band 1: Abschied von der Baker Street. Mit Illustrationen von Cécil. Aus dem Französischen von Edmund Jacoby

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Berlin: Jacoby & Stuart 2013
80 S., € 19,95
ISBN: 978-3-941087-51-4

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