Krimis & Thriller

Wallander und kein Ende

Acht seitenstarke Bände, in denen der schwedische Kriminalpolizist Wallander seine Fälle löst, liegen bereits auf dem Tisch und damit sollte eigentlich Schluss sein, aber Henning Mankell serviert uns nun einen Nachschlag, der ebenso als Vorspeise taugt. Und, um es vorweg zu sagen, es ist ihm wieder einmal gelungen, den Leser in seinen Bann zu ziehen und die für Mankell so typische Spannung zu erzeugen, obwohl es keine biographischen Überraschungen gibt.

Der Sammelband besteht aus fünf Teilen: vier Erzählungen und ein kleiner Roman, die allesamt vor Beginn der ursprünglichen Wallander-Serie spielen und damit dem speziellen Bedürfnis der Fans Rechnung tragen, die wissen wollten, was vor dem 8. Januar 1990, der Tag an dem der erste Band „Mörder ohne Gesicht“ einsetzt, geschah. Und so schreiben wir in der ersten Erzählung das Jahr 1969. Kurt ist Anfang zwanzig und noch ganz grün hinter den Ohren, muss noch Streife gehen, ist frisch verliebt in Mona und träumt von einer Karriere bei der Kripo. Als plötzlich sein Nachbar tot in der Küche liegt, ist es für ihn die Gelegenheit, sein kriminalistisches Gespür unter Beweis zu stellen. Der Konflikt mit Mona ist von Anfang an angelegt, weil seine Arbeit vorgeht. Er wird später beruflich erfolgreich werden, privat aber vereinsamen.

In der zweiten und kürzesten Erzählung ist er ausgerechnet an Heiligabend verhindert, weil er auf dem Heimweg in einem kleinen Geschäft vorbeischauen soll. Als Wallander eintrifft, liegt die Ladenbesitzerin tot auf der Erde und er hat ein Problem. Das Ganze freilich, während Mona und ihre mittlerweile fünfjährige Tochter Linda auf ihn warten.

In der dritten Erzählung, die 1987 spielt, fahren sie bereits ohne ihn in den Urlaub, während er wieder einmal einen Mord aufklären muss.

In der vierten Erzählung 1988 hat er es dann geschafft - er ist alleine, Mona kehrt nicht wieder zurück und Linda bleibt bei ihr.

Es ist die gekonnte und überzeugende Darstellung dieser Konstellation, die den Leser interessiert, ja überhaupt diese Fortsetzung notwendig machte: da ist der eine Kurt Wallander, der das Irrationale bekämpft und für die Gerechtigkeit arbeitet, ein Held, und auf der anderen Seite ist da der Kurt Wallander, der eine andere Form der Irrationalität nicht leben kann: die Liebe. Denn er ist, jetzt muss es raus, emotional durchaus unterentwickelt, was stets zum Konflikt mit seiner Umwelt, damit aber zu einem Gefühl des Mitleids beim Leser führt. Dem äußeren tritt ein innerer Konflikt wie ein Spiegelbild gegenüber und das fesselt den Leser, weil er sich darin seinerseits spiegeln kann.

Mankell versteht es, diesen Grundkonflikt in die Kriminalfälle in dem ihm eigenen klaren Stil hineinzuweben. So überzeugen die Geschichten um das Verbrechen letztlich alle, auch wenn ihre Plots mal mehr, mal weniger raffiniert sind.

Insbesondere der kleine Roman am Schluss ist ein typischer und gelungener Wallanderkrimi und es zeigt sich, dass Mankell ein Autor ist, dessen Stärke besonders in der Fähigkeit liegt, einen epischen Sog zu entwickeln, der die Leser unablässig in das Geschehen hineinzieht.

Die Perspektive des Täters und seine Motive, sein Handeln, bleiben aber auch hier unterbelichtet, weswegen die Bände der großen Romane diesem Sammelband insgesamt vorzuziehen sind. Aber eingefleischte Wallander-Fans kümmert das sicher weniger, sie warten bereits auf den nächsten Wallanderkrimi „Vor dem Frost“, der im Juli 2003 in deutscher Sprache erscheinen soll und in dem nicht mehr Kurt die Hauptfigur ist, sondern seine Tochter Linda. Dann werden wir bestimmt erfahren, wie es mit ihm weitergeht und ob Linda eine ebenso gute Kriminalkommissarin ist wie ihr Vater.

Fra
03.03.2003

 
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Das Buch:

Henning Mankell: Wallanders erster Fall und andere Erzählungen

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Wien: Paul Zsolnay Verlag 2002
477 S., € 24,90
ISBN: 3-552-05187-2

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